den 26. Juli 1914
Grafen Berchtold an Graf Szápáry in Petersburg
Grafen Berchtold an Graf Szápáry in Petersburg1
Telegramm Nr. 191
W i e n , den 28. Juli 1914
Chiffr. 11 Uhr 40 M. p. m.Ch i f f r e
Der russische Botschafter ist am 28. Juli bei mir erschienen, um mir seine Rückkehr von seinem kurzen Urlaube in Rußland mitzuteilen und gleichzeitig einem telegraphischen Auftrage Herrn Sazonows nachzukommen. Letzterer hätte ihm mitgeteilt, daß er eine längere, sehr freundschaftliche Aussprache mit Euer Exzellenz gehabt hätte (Euer Exzellenz Telegramm Nr. 165 vom 27. d. M.2 in derem Verlaufe Hochdieselben mit großer Bereitwilligkeit die einzelnen Punkte der serbischen Antwortnote durchgesprochen hätten.[ ) ] Herr Sazonow sei der Ansicht, daß Serbien in weitgehendem Maße unseren Wünschen entgegengekommen sei, daß aber einige Forderungen ihm ganz unannehmbar schienen, was er auch Euer Exzellenz nicht verhehlt habe. Es schiene ihm unter diesen Umständen, daß die serbische Antwortnote geeignet sei, den Ausgangspunkt zu einer Verständigung abzugeben, wozu die russische Regierung gerne die Hand bieten möchte. Herr Sazonow wolle mir daher vorschlagen, daß der so glücklich aufgenommene Gedankenaustausch mit Euer Exzellenz Fortsetzung finde und Euer Exzellenz diesbezüglich mit Instruktionen versehen werden.
In meiner Entgegnung betonte ich, daß ich auf einem derartigen Vorschlag nicht eingehen könne. Eine Verhandlung über den Wortlaut der von uns als unbefriedigend bezeichneten Antwortnote könnte bei uns niemand verstehen und niemand billigen. Es wäre dies umsoweniger möglich, als sich, wie der Botschafter wisse, bereits eine tiefgehende allgemeine Erregung der öffentlichen Meinung sowohl in Ungarn wie hier bemächtigt hätte, überdies unsererseits heute der Krieg an Serbien erklärt worden sei.
Auf die mit großer Eloquenz vorgebrachten Auseinandersetzungen des Botschafters, welche hauptsächlich darin gipfelten, daß wir die durchaus nicht abgeleugnete feindselige Stimmung in Serbien durch eine kriegerische Aktion nicht niederringen, im Gegenteile nur steigern würden, gab ich ihm einige Streiflichter hinsichtlich unseres derzeitigen Verhältnisses zu Serbien, welches es unvermeidlich mache, ganz gegen unseren Willen und ohne jede egoistische Nebenabsicht unserem unruhigen Nachbar mit dem nötigen Nachdrucke unsere ernste Absicht zu zeigen, nicht länger eine von der Regierung geduldete, gegen den Bestand der Monarchie gerichtete Bewegung zuzulassen. Die Haltung Serbiens nach Empfang unserer Note sei übrigens nicht danach gewesen, eine friedliche Beilegung zu ermöglichen, indem Serbien, noch bevor es uns seine ungenügende Antwort übergeben ließ, die allgemeine Mobilisierung angeordnet und schon dadurch uns gegenüber einen feindseligen Akt vorgenommen habe. Trotzdem hätten wir noch drei Tage zugewartet. Gestern seien nun serbischerseits gegen uns die Feindseligkeiten an der ungarischen Grenze eröffnet worden. Dadurch sei uns die Möglichkeit benommen, bei unserer Serbien gegenüber bewiesenen Langmut weiter zu beharren. Die Herbeiführung einer gründlichen, aber friedlichen Sanierung unseres Verhältnisses zu Serbien sei uns nunmehr unmöglich gemacht worden, und wir sähen uns gezwungen, den serbischen Provokationen in der Form entgegenzutreten, die unter den gegebenen Umständen allein der Würde der Monarchie entspreche.
Vorstehendes zu Euer Exzellenz Orientierung und Regelung Ihrer Sprache.
1Vgl. die Fassung im Österreichisch-ungarischen Rotbuch, Nr. 40. (Zurück)
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