Zur Pflege freundnachbarlicher Beziehungen zu Österreich-Ungarn
verpflichtet, hat sie ihrer Presse gestattet, den Haß gegen die Monarchie zu
verbreiten; hat sie es zugelassen, daß auf ihrem Boden etablierte Vereinigungen
unter Führung höherer Offiziere, Staatsbeamter, Lehrer und Richter öffentlich
eine Kampagne gegen die Monarchie führen, die auf die Revölutionierung ihrer Bürger
abzielt; hat sie es nicht verhindert, daß an der Leitung ihrer Militär- und Zivilverwaltung beteiligte, aller moralischen
Hemmungen bare Männer das öffentliche
Gewissen derart vergiften, daß ihm in diesen Kampfe der gemeine Meuchelmord als
die beste Waffe scheint.
Serbische Preßstimmen
a)
Die »Politïka« brachte am 18. August 1910 anläßlich des 80.
Geburtstages Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät ein großes
Bild des Bogdan Zerajić,
der zwei Monate vorher gegen den Landeschef von Bosnien, Freiherrn von Varešanin,
ein Attentat verübt
hatte. In dem dazu gehörigen
Artikel hieß es: »Vor zwei Monaten, am 2. Juni (a. St.), gerade am Tage der Eröffnung
des bosnisch- herzegowinischen Landtages, versuchte ein junger Serbe, der
Student Bogdan Zerajić
in Sarajevo den Landeschef von Bosnien und der Herzegowina, den General Marian
Varešanin
zu töten. Fünf Schüsse feuerte Zerajić
auf diesen Renegaten, der sich seine Karriere im berühmten Volksaufstande im
Rakovica durch Vergießung
des Blutes seiner leiblichen Brüder gesichert hatte, durch einen merkwürdigen
Zufall gelang es nicht, ihn zu töten.
Dann jagte sich der tapfere und selbstbewußte Zerajić
die sechste und letzte Kugel in den Kopf und stürzte sofort tot zusammen.
In Wien verstanden sie sehr gut, daß Zerajić
das Attentat nicht deshalb verübte, weil er russische und revolutionäre
Schriften gelesen, sondern daß er dies als edler Sprosse eines Volkes getan
hatte, das auf diese blutige
Weise gegen die Fremdherrschaft protestieren wollte. Deshalb trachteten sie,
diese ganze Sache möglichst schnell zu vertuschen und -- was gegen ihre
Gewohnheit ist - eine Affäre zu vermeiden, welche die österreichische
Regierung in Bosnien und der Herzegowina noch mehr kompromittiert hätte. In
Wien wünschte man, daß
jedes Andenken an Zerajić
ausgelöscht und seinem Attentate jede Bedeutung abgesprochen werde. Aber gerade diese Furcht, vor dem toten Zerajić
und das Verbot, daß
sein Name in ganz Bosnien und der Herzegowina erwähnt werde, bewirkten, daß
sein Name im Volke wie etwas Heiliges genannt wird, heute am 18. August
vielleicht mehr als jemals.
Am
heutigen Tage zünden auch wir eine Kerze auf seinem Grabe an und rufen: »Ehre
dem Zerajić!«
Hieran schloß, sich ein Gedicht, dessen Inhalt in Übersetzung lautet:
»Bosnien lebt, noch ist es nicht tot,
� Umsonst habt Ihr seinen Leib
begraben;
Noch sprüht es Feuer, das
gefesselte Opfer,
� Noch ist's nicht Zeit, das
Grablied zu singen.
� Mit Satanshand scharrtet auf Ihr
die Grube,
� Aber der lebende Tote will nicht in die Gruft;
� Kaiser, hörtest Du? im Blitzen des Revolwers
� Sausen die bleiernen Kugeln gegen Deinen Thron!
� Das sind nicht Sklaven, das ist herrliche Freiheit,
� Die aus der kühnen Hand des Unterjochten leuchtet!
� Was zittert so dieses schreckliche Golgatha?
� Petrus
zog das Schwert, Christus zu schirmen.
� Seine Hand sank, aber aus dem Blute
� Werden tausende tapfere Hände
sich erheben;
Dieser Schuß war nur der erste Bote
Der glorreichen Österreichern nach Golgathas Peinen.«
b)
Am 18. Oktober 1910 brachten anläßlich des Jahrestages der Annexion
Bosniens und der Herzegowina »Politika« und »Mali Journal«, von denen
letzteres mit schwarzem Rande erschien, Artikel, in denen sie sich in heftigen
Angriffen gegen Österreich-Ungarn ergingen. Europa müsse sich überzeugen, daß das
serbische Volk noch immer an die Revanche denke. Der Tag der Revanche müsse
kommen, dafür bürgten die fieberhaften Anstrengungen Serbiens zwecks
Organisierung seiner Wehrmacht sowie die Stimmung und der Haß des serbischen
Volkes gegen die Nachbarmonarchie.
Aus dem gleichen Anlaß schrieb die »Samouprava«
am 9. Oktober 1910: »Schimpfworte und Exzesse sind kein Mittel, um den wahren
Patriotismus zum Ausdruck zu bringen. Nur stille und würdige Arbeit führt zum
Ziele!«
c)
Am 18. April 1911 hieß es in der »Politika«: »Außer einigen Zynikern würde es niemand in Serbien gerne sehen, wenn König Peter nach Wien oder Budapest reisen sollte. Durch die
Annexion Bosniens und der Herzegowina ist ein für allemal die Möglichkeit einer Freundschaft zwischen Serbien und Österreich-Ungarn
zerstört worden. Das fühlt jeder Serbe.«
d)
Die »Beogradske Novine« schreiben am 18. April 1911: »Auch die meisten
Regeirungsmänner mißbilligen die geplante Reise des Königs Peter zu Kaiser Franz Joseph.
Der Sturm der Entrüstung, der sich wegen des Planes dieser Reise des Königs
des ganzen Serbentums bemächtigt hat, ist vollkommen begreiflich.«
e)
Das »Mali Journal« vom 19. April 1911 sagt: »Ein Besuch des Königs
Peter beim Herrscher von Österreich-Ungarn wäre eine Beleidigung des ganzen Serbentums. Durch diesen Besuch würde Serbien das Recht auf die Piemontrolle verlieren. Die
Interessen Serbiens können sich niemals mit den Interessen Österreichs
decken.«
f)
Am 23. April 1911 führen »Politika«, »Mali Journal«, »Tribuna«, »Beogradske Novine« und »Vecernje Novosti« zu dem Plane eines Besuches König Peters am Wiener Hofe
aus: »Zwischen Serbien und Österreich-Ungarn
könne niemals Freundschaft existieren. Der geplante Besuch des Königs Peter sei daher
für Serbien eine »schändliche Kapitulation«, eine »Demütigung Serbiens«, eine »feierliche Sanktionierung aller Verbrechen
und Missetaten, die Österreich-Ungarn an Serbien und dem serbischen Volke
begangen habe«.
g)
Am 18. April 1912 schreibt »Trgovinski Glasnik« in einem mit »Der
Zerfall in Österreich« überschriebenen Artikel: »In Österreich-Ungarn
herrscht ein Zerfall nach allen Seiten. Was jenseits der Donau und Save geschieht, das ist nicht mehr eine deutsche, magyarische,
böhmische oder kroatische Krise, das ist eine allgemeine österreichische
Krise, eine Krise der Dynastie selbst. Wir Serben können mit Zufriedenheit
einer solchen Entwicklung der Dinge in Österreich zusehen.«
h)
In einem »Die Grenzen Albaniens« betitelten Artikel greift der »Balkan« Österreich-Ungarn mit folgenden Ausführungen an: Wenn Europa zu
schwach sei, um Österreich Halt zu gebieten, würden Montenegro und Serbien
dies tun, indem sie Österreich zurufen: »Halt, weiter geht es nicht! Ein Krieg
zwischen Österreich-Ungarn und Serbien ist unausbleiblich.
Wir haben das türkische Reich zerstückelt, wir werden auch
Österreich zerstückeln. Einen Krieg haben wir beendet, jetzt stehen wir vor
einem zweiten.«
i)
»Vecernje Novosti« vom 22. April 1913 richten einen Aufruf an das serbische
reisende Publikum und an die serbischen Kaufleute, sie mögen die
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft boykottieren. Niemand solle mit
den Schiffen dieser österreichischen Gesellschaft fahren oder Waren
transportieren lassen. Alle, die dies täten, würden von einem Ausschusse mit
Geldbußen bestraft. Die Gelder würden der Komitatschikasse zufließen, welche
für die Verwendung im kommenden Kriege mit Österreich bestimmt sei.
k)
Die »Tribuna« vom 26. Mai 1913 schreibt aus Anlaß der Besitzergreifung
Ada Kalehs durch Österreich-Ungarn: »Das schwarz-gelbe
verbrecherische Österreich hat wieder einen räuberischen Trick durchgeführt.
Es ist ein Dieb, der, wenn er nicht einen ganzen Sack Geld stehlen kann, sich
auch mit einem Dinar begnügt.«
l)
Am 10. Juni 1913, anläßlich der Wiederkehr des Jahrestages des
Attentates auf den königlichen Kommissär in Agram durch den Studenten Luka
Jukić, brachten die serbischen Blätter Gedenkartikel. Im einem Artikel der »Pravda«
heißt es: »Es muß aus tiefster Seele wehe tun, daß nicht jeder so gehandelt
hat wie unser Jukić. Wir haben keinen Jukić mehr, aber wir haben den Haß, wir haben den Zorn, wir haben heute zehn
Millionen Jukić. Wir sind fest überzeugt, daß Jukić bald durch seine Arrestfenster den letzten Kanonenschuß der Freiheit vernehmen wird.«
m) »Mali
Journal« vom 7. Oktober 1913 bringt an leitender Stelle einen Artikel, in
welchem Österreich-Ungarn die Existenzberechtigung abgesprochen wird und die
slawischen Nationalitäten aufgefordert werden, den Angriffskampf, den Serbien
zu unternehmen gedenke, zu unterstützen.
n)
Der »Piemont« vom 8. Oktober 1913 schreibt zu dem Gedächtnistage der
Annexion: »Heute sind es fünf Jahre, daß mittels eines kaiserlichen Dekretes
die Souveränität des Habsburger Zepters über Bosnien und die Herzegowina
ausgebreitet wurde. Den Schmerz, der an diesem Tage dem serbischen Volke zugefügt
wurde, wird das serbische Volk noch durch Jahrzehnte fühlen. Beschämt und
vernichtet stöhnte das serbische Volk verzweifelt. Das Volk legt das Gelübde
ab, Rache zu üben, um durch einen heroischen Schritt zur Freiheit zu gelangen.
Dieser Tag hat die bereits eingeschlafene Energie geweckt, und der
wiederbelebte Held wird eines Tages die Freiheit suchen. Heute, wo serbische Gräber die alten serbischen Länder zieren, wo die
serbische Kavallerie die Schlachtfelder von Mazedonien und Altserbien betreten
hat, wendet sich das serbische Volk, nachdem es seine Aufgabe im Süden beendet
hat, der entgegengesetzten Seite zu, von wo das Stöhnen und Weinen des
serbischen Bruders gehört wird, wo der Galgen haust. Serbische Soldaten, die heute in Dušans
Reiche mit jenen Albanesen kämpfen, die gegen uns der Staat aufwiegelte,
welcher uns Bosnien und Herzegowina nahm, legten heute das Gelübde ab, daß sie
gegen die »zweite Türkei« ebenso vorgehen werden, wie sie mit Gottes Hilfe
gegen die Balkan-Türkei vorgegangen sind. Sie legen dieses Gelübde ab und hoffen, daß der Tag der Rache naht.
Eine Türkei verschwand. Der gute serbische Gott wird geben, daß auch
die »zweite Türkei« verschwindet.«
o)
Das »Mali Journals vom 4. November 1913 schreibt: »jedes Streben nach
einer Annäherung an Österreich-Ungarn kommt einem Verrate an dem serbische
Volke gleich. Serbien muß sich mit den Tatsachen
abfinden und immer vor Augen halten, daß es in Österreich-Ungarn seinen gefährlichsten Feind hat, den energisch zu bekämpfen die heilgste Pflicht jeder serbischem Regierung sein muß.«
p)
Am 14. Jänner 1914 heißt es in der »Pravda«: »Unsere Neujahrswünsche gelten in erster Linie
unseren noch nicht befreiten, unter fremder Knechtschaft seufzenden Brüdern. Die Serben mögen aushalten; nach Kossovo kam Kumanovo, und unser
Siegeszug ist noch nicht beendet.«
q)
»Novosti« vom 18. Jänner 1914
brachten ein Bild der Wasserweihe in Bosnien mit folgendem Text: Auch in Orten, die unter fremdem Joche seufzen, bewahren die Serben ihre Sitten, bis sie der
Tag der Freiheit in heller Begeisterung finden wird.«
r)
Die »Zastava« gesteht im Jänner 1914: »Serbien eifert die österreichisch-ungarischen
Serben zur Revolution an.«
s)
Das »Mali Journal« vom 9. März 1914 schreibt: »Serbien kann das Säbelrasseln Franz Ferdinands anläßlich der Skutari-Affäre nie vergessen.«
t)
Am 4. April 1914 schreibt die »Zastava«: »Die österreichischen Staatsmänner, die nur eine Politik des Hasses, eine
Bureaukratenpolitik führen; nicht aber eine weitausblickende Politik, bereiten
selbst den Untergang ihres Staates vor.«
u)
Die »Pravda« vom 8. April 1914 sagt: »Österreich hat heute seine Existenzberechtigung verloren.«
v)
In den Österreicherrnummern (April 1914) geben alle serbischen Blätter der
Hoffnung Ausdruck, daß auch die nichtbefreiten, unterjochten, gedrückten Brüder bald eine frohe
Auferstehung feiern werden.
w)
In der »Tribuna« vom 23. April 1914 heißt es: »Die Pazifisten haben
ein neues Schlagwort erfunden, das vom »Patriotismus Europas«.
Diesen
Programm kann aber nur dann verwirklicht werden, wenn Österreich aufgeteilt wird.«
x) Das »Mali Journal« vom 12. Mai 1914 schreibt: »Was im Privatleben Verbrechen heißt, nennt man in Österreich Politik. Die Geschichte kennt ein
Ungeheuer, und dieses Ungeheuer heißt Österreich.«
Auszug aus dem vom Zentralausschusse des Vereins
»Narodna »odbrana« herausgegebenen Vereinsorgane gleichen Namens »Narodna
odbrana«, izdanje stredisnog odbora narodne odbrane. Beograd, 1911.(Nova
stamparija »Davidovic«, Decanska ulica br. 14, Ljub. Davidovica)
In einer kurzen
Einleitung wird zunächst bemerkt, daß diese Broschüre »keine vollkommene,
erschöpfende Wiedergabe der Gesamtarbeit der ,Narodna odbrana’ bilde, da sie
dies aus mehrfachen Gründen weder sein darf noch sein kann«.
Diese Schrift ist
in drei Abschnitte geteilt, deren
erster aus XIV Kapiteln besteht und programmatischer Natur ist, während der
zweite Abschnitt einen Bericht über die Vereinstätigkeit enthält und im dritten
Beispiele für die Organisation ähnlicher ausländischer Vereine angeführt
werden.
Im I. Kapitel
»Entstehung und Tätigkeit der ersten ,Narodna odbrana’« wird bemerkt, daß
dieser Verein anläßlich der in Serbien durch die Annexion Bosniens und der
Herzegowina entstandenen Volksbewegung mit folgenden Zielen gegründet wurde:
1. Hebung, Ermutigung und Stärkung des Nationalgefühls.
2. Einschreibung und Sammlung von Freiwilligen.
3. Formierung von Freiwilligeneinheiten und
deren Vorbereitung zur
bewaffneten Aktion.
4. Sammlung von freiwilligen Beiträgen, Geld und anderen Erfordernissen zur
Verwirklichung ihrer Aufgabe.
5. Organisierung, Ausrüstung und Einexerzierung einer besonderen
aufständischen Truppe (Komitee), bestimmt zu besonderer und selbständiger Kriegführung.
6. Entwicklung einer Aktion in allen anderen Richtungen der Verteidigung
des serbischen Volkes.
Anknüpfend hieran
wird bemerkt, daß durch die Anerkennung der Annexion seitens der Großmächte
dieser ganzen Arbeit des Vereines ein Ende bereitet worden ist, worauf unter
Beibehaltung der bestehenden Vereinsverfassung zu einer Reorganisation des
Programmes und zu neuer Arbeit geschritten worden sei, damit bei Wiederholung
eines ähnlichen Anlasses »die alte rote Kriegsfahne der ,Narodna odbrana’
wieder entfaltet werden könne«.
Im II. Kapitel »Die neue heutige ,Narodna
odbrana’« wird zunächst ausgeführt: »Man hat zur Zeit der Annexion die
Erfahrung gemacht, daß Serbien für den Kampf, den ihm die Verhältnisse auferlegen,
nicht vorbereitet ist, und daß dieser Kampf, den Serbien aufzunehmen hat,
viel ernster und schwieriger ist, als man dachte; die Annexion war nur einer
der Schläge, den die Feinde Serbiens gegen dieses Land geführt hatten, ein
Schlag, dem bereits viele andere Schläge vorangegangen sind und
dem noch andere folgen werden. Damit
ein neuer Überfall Serbien nicht ebenso unvorbereitet trifft, ist es notwendig,
sich vorzubereiten, zu arbeiten.« Als Ziel dieser in den breitesten Schichten
des Volkes zu leistenden »Arbeit« wird die »Vorbereitung des Volkes zum Kampfe
in allen Richtungen der nationalen Arbeit, entsprechend den heutigen
Zeiterfordernissen«, bezeichnet und werden als Mittel hiezu »Stärkung des
nationalen Bewußtseins, körperliche Übungen, das wirtschaftliche und
gesundheitliche Wohlergehen, Hebung der Kultur etc.« hervorgehoben, »insoweit
auf diesem Gebiete neben dem Staate der einzelne und die Gesellschaft wirken
kann und muß«.
Das Kapitel III »Die drei Hauptaufgaben« beginnt mit dem Hinweise darauf,
daß die Annexion gelehrt habe, das Nationalbewußtsein in Serbien sei nicht so
stark, als es in einem Lande sein sollte, welches als kleiner Teil von 3
Millionen die Hoffnung und Stütze für 7 Millionen des unterjochten serbischen
Volkes bilde. Die erste Aufgabe des Vereines bestehe daher in der Stärkung des
nationalen Bewußtseins. Die zweite Aufgabe sei die Pflege körperlicher
Übungen, die dritte,die Erzielung einer richtigen Wertung dieser sportlichen
Betätigung.
In dem IV. »Vom Schießwesen« handelnden Kapitel wird der Wert einer guten
Ausbildung im Schießen speziell für die serbischen Verhältnisse hervorgehoben,
da dort die militärische Ausbildung nur 6 Monate dauere. Diese Ausführungen
konkludieren in dem Satze:
»Einem neuen Schlage, wie die Annexion einer war, muß ein neues Serbien
entgegentreten, worin jeder Serbe vom Kinde bis zum Greise ein Schütze ist.«
Kapitel V, welches das »Verhältnis der ,Narodna odbrana’ zur Sokolschaft«
behandelt, beginnt mit einem allgemeinen kulturpolitischen Exkurs über die
Bedingungen der Kräfte der Staaten. Hiebei wird auf den Niedergang der Türkei
verwiesen und anknüpfend hieran gesagt:
»Die alten Türken vom Süden her verschwinden nach und nach, und nur noch
ein Teil unseres Volkes leidet unter ihrer Herrschaft. Aber neue Türken kommen
vom Norden, furchtbarer und gefährlicher als die alten. Kulturell und
wirtschaftlich stärker gehen die nördlichen Feinde auf uns los. Sie wollen uns
unsere Freiheit, unsere Sprache nehmen, uns zerschmettern. Die Vorzeichen
des Kampfes, der da kommt, sind fühlbar. Das serbische Volk steht vor der
Frage, sein oder nicht sein.«
»Was wollen wir mit den Vorträgen« lautet die Überschrift des VII.
Kapitels, dessen wesentlicher Inhalt sich in dem Satze erschöpft:
»Die ,Narodna odbrana’ veranstaltete Vorträge,
welche mehr oder weniger Agitationsvorträge waren. Es wurde das Programm
unserer neuen Arbeit entwickelt. Bei jedem Vortrage wurde von der Annexion
gesprochen, von der Arbeit der alten ,Narodna odbrana’ und den Aufgaben der neuen. Die Vorträge werden nie aufhören, Agitationsvorträge
zu sein, sie werden sich jedoch immer mehr nach den einzelnen Fächern
entwickeln und sich mit allen Fragen unseres gesellschaftlichen und nationalen
Lebens befassen.«
In den Kapiteln
VIII »Tätigkeit der Frau in der ,Narodna odbrana’«, IX »Detail- und Kleinarbeit«
und X »Renaissance der Gesellschaft« wird unter Hinweis auf die Aufgaben der
,Narodna odbrana’ die Vorbereitung und Vertiefung der Vereinsarbeit und die Notwendigkeit
einer Regenerierung der Individuen, des Volkes und des Staates behandelt.
Das Kapitel XI
»Neue Obilice Und Singjelice«5
sagt einleitend:
»Es ist ein
Irrtum, zu behaupten, Kossovo sei gewesen und vorüber. Wir befinden uns
mitten im Kossovo. Unser heutiges Kossovo ist die Finsternis und Unkenntnis, in
welcher unser Volk lebt. Die anderen Gründe des neuen Kossovo leben an den
Grenzen im Norden und Westen: Die Deutschen, Österreicher und Schwabas mit
ihrem Vordringen gegen unseren serbischen und slawischen Süden.« Anknüpfend hieran wird unter Hinweis auf
die Heldentaten des Obilic und Singjelic auf die Notwendigkeit der Aufopferung
im Dienste der Nation hingewiesen und gesagt: »Die nationale Arbeit ist mit Opfern verbunden, namentlich in der Türkei
und in Österreich, wo solche Arbeiter von den Behörden verfolgt, in den Kerker
und an den Galgen gebracht werden. Auch für diesen Kampf gegen die Finsternis
und Unwissenheit sind solche Helden nötig. Die ,Narodna odbrana’ zweifelt
nicht, daß im Kampfe mit Gewehr und Kanone gegen die Schwabas und unsere
sonstigen Feinde, dem wir entgegengehen, unser Volk eine Reihe von Helden
stellen wird. Doch ist die ,Narodna odbrana' damit nicht zufrieden, denn sie
betrachtet auch die heutigen sogenannt friedlichen Verhältnisse als Krieg und
fordert gleichfalls Helden für diesen heutigen Kampf, den wir in Serbien und
jenseits der Grenze führen.«
Über die
»Verbindung mit den Brüdern und Freunden« handelt das XII. Kapitel, dessen
wesentlichster Inhalt sich in folgenden Sätzen zusammendrängt:
»Zu den Hauptaufgaben der ,Narodna odbrana’ gehört die Aufrechterhaltung
der Verbindung mit unseren nahen und ferneren Brüdern jenseits der Grenze und
unseren übrigen Freunden in der Welt. Mit dem Worte ,Volk’ meint die ,Narodna
odbrana’ unser ganzes Volk, nicht
nur jenes in Serbien. Sie hofft, daß die von ihr in Serbien geleistete Arbeit
den Brüdern außerhalb Serbiens ein Ansporn zu lebhafterer Teilnahme an der
Arbeit privater Initiative werde, damit der heutige neue Aufschwung für die
Schaffung einer kräftigen serbischen ,Narodna odbrana’ in allen serbischen
Gebieten unter einem vor sich gehe.«
»Zwei wichtige
Aufgaben« benennt sich Kapitel XIII, welches ausführt:
»Indem wir auf
dem Standpunkte stehen, daß durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina das
Vordringen gegen unsere Länder vom Norden her vollkommen zutage getreten ist,
erachtet die ,Narodna odbrana’ und nennt dem Volke Österreich als unseren
ersten und größten Feind.« Diese Arbeit (nämlich Österreich dem serbischen
Volke als dessen größten Feind zu bezeichnen) betrachtet der Verein nach den
folgenden Ausführungen als eine gesunde, notwendige Aufgabe, als seine
Grundpflicht. Dann fährt die Broschüre fort:
»Wie einst die
Türken vom Süden auf uns losgegangen
sind, so geht heute Österreich vom Norden her auf uns los. Wenn die ,Narodna odbrana’ die Notwendigkeit
des Kampfes mit Österreich predigt, so predigt sie eine heilige Wahrheit
unserer nationalen Lage.«
Der durch diese
Propaganda entstehende Haß gegen Österreich sei allerdings nicht das Ziel,
sondern die natürliche Konsequenz der Arbeit, deren Zweck die Selbsterhaltung
und Freiheit sei. Wenn hiebei der Haß gegen Österreich aufkeime, so sei es
Österreich, welches ihn durch sein Vorgehen säe, welches Vorgehen den »Kampf
gegen Österreich bis zu dessen Ausrottung auferlegt«.
Nach einem Lobe
der modernen Auffasung der nationalen Idee wird bemerkt, daß bei Besprechung
der »Befreiung und Vereinigung« zu viel mit Phrasen gearbeitet werde. Dem
Volke
müsse gesagt werden:
»Die Befreiung
unserer unterworfenen serbischen Gebiete und deren Vereinigung mit Serbien ist
für unseren Herrn, unseren Kaufmann, unseren Bauer notwendig wegen der
fundamentalsten Bedürfnisse der Kultur, des Handels, wegen des Brotes und des
Raumes. In dieser Erkenntnis wird das Volk mit größerer Opferwilligkeit bei der
nationalen Arbeit zugreifen. Unserem
Volke muß gesagt werden, daß die Freiheit Bosniens für dasselbe notwendig ist,
nicht nur aus Mitleid mit den dortselbst leidenden Brüdern, sondern wegen des
Handels und der Verbindung mit dem Meere.
Die »beiden
Aufgaben« der »Narodna odbrana« werden dann nochmals in folgendem Schlußsatze
zusammengefaßt: »Neben der Aufgabe, dem
Volke die ihm seitens Österreichs drohende Gefahr zu erklären, hat die ,Narodna
odbrana’ noch die wichtige Aufgabe, unter vollständiger Wahrung der heiligen
nationalen Erinnerungen dieses neue, gesunde und in seinen Folgen mächtige
Erfassen des Nationalismus und der Arbeit zum Zwecke der Befreiung und
Vereinigung in das Volk zu tragen.«
Das XIV.,
Schlußkapitel, beginnt mit einem Appell an die Regierung und das Volk Serbiens,
sich mit allen Mitteln für den Kampf vorzubereiten, »den die Annexion
vorangezeigt hat«.
Im folgenden
Satze wird hierauf die Tätigkeit der »Narodna odbrana« nochmals rekapituliert:
»Indem die
,Narodna odbrana’ zeitgemäß, den veränderten Verhältnissen entsprechend, wirkt,
dabei alle zur Zeit der Annexion geknüpften Verbindungen aufrechterhält, ist
sie heute dieselbe, die sie zur Zeit der Annexion war. Sie ist auch heute ,odbrana’ (Wehr), sie ist
auch heute ,Narodna’ (des Volkes). Sie
versammelt auch heute um ihre Fahne die Staatsbürger Serbiens, wie sie sie
zur Annexionszeit versammelt hat. Damals rief man nach dem Kriege, heute ruft
man nach der Arbeit, damals wurden Meetings, Demonstrationen, freiwillige
Komitees, Gewehre und Bomben verlangt, heute wird die stille, fanatische,
unermüdliche Arbeit und wieder Arbeit in der Richtung der Aufgaben und
Pflichten verlangt, welche wir vorgeführt haben, als vorläufige Vorbereitung
für den Kampf mit Gewehr und Kanone, welcher kommen wird.«
Über die
Organisation der »Narodna odbrana« enthält diese Broschüre und der
Jahresbericht dieses Vereines folgende Daten:
Ein
Zentralausschuß, mit dem Sitze in Belgrad, leitet alle Agenden der »Narodna
odbrana«. Diesem sind alle anderen
Ausschüsse der »Narodna odbrana« untergeordnet. Der Zentralausschuß teilt sich in vier Sektionen: für kulturelle Arbeit, für körperliche Fortbildung, für
die finanzielle Gebarung und für auswärtige Angelegenheiten.
Kreisausschüsse
mit dem Sitze an den Orten der politischen Kreisbehörden leiten die
Vereinsangelegenheiten in den betreffenden Kreisen. Jeder Kreisausschuß teilt sich in je eine
Sektion für kulturelle Arbeit (Vorstand ist der im Orte befindliche Obmann
einer Filiale der
»Kulturliga«), für körperliche Fortbildung (Vorstand ist ein im Orte
befindliches Mitglied des Schützen-, Sokol-, Jäger-, Reitervereines)
und für finanzielle Gebarung; bei einzelnen Kreisausschüssen besteht auch eine
Sektion für auswärtige Angelegenheiten.
Bezirksausschüsse
mit dem Sitze an den Orten der politischen Bezirksbehörden leiten die
Vereinsangelegenheiten in den betreffenden Bezirken.
Ortsausschüsse
sind die leitenden Organe in den einzelnen Orten.
Vertrauensmänner
befinden sich in jenen Orten im Innern des Landes, wo die Notwendigkeit, einen
Ausschuß zu bilden, nicht besteht.
Vereine, »welche mit der Arbeit der Organisation der ,Narodna odbrana’
in engster Verbindung stehen« und von dieser in jeder Hinsicht unterstützt
werden, sind: der Schützenbund mit 762
Vereinen, der Sokolbund »Dusan Silni« mit 2500 Mitgliedern, der olympische
Klub, der Reiterverein »Knez Mihajlo«, der Jägerbund und die Kulturliga.
Alle diese Vereine sind ähnlich organisiert wie die »Narodna odbrana«,
benützten auch deren Lokalitäten bzw. Vereinshäuser, deren Bibliotheken etc.; angesehene
Mitglieder dieser Vereine sind Sektionsvorstände in den Ausschüssen der
»Narodna odbrana«.
Auszug aus dem »Bericht
über die Tätigkeit des Sokolvereines ,Dusan
Silni’ in Kragujevac in den Jahren
1912 und 1913« (Kragujevac,
Druckerei »Buducnost« Tih. Lekic 1914)
An der Spitze dieses Berichtes ist die Ansprache abgedruckt, mit welcher der Präsident
des Vereines, der königlich serbische Major Kovacevic, die Jahresversammlung im
Jänner 1914 begrüßte.
»Es ist Euch
bekannt«, begann der Präsident, »daß das Sokolwesen, im Kampfe gegen den
Germanismus enstanden, eine rein slawische Institution ist, welche das Ziel
verfolgt, alle slawischen Brüder zu vereinigen, zu begeistern und durch Kultur
und Gewalt für den Kampf gegen den Feind des Slawentums vorzubereiten.
Wir Serben als
ein Teil der großen Slawengemeinschaft haben die Sokolidee aufgenommen und der
gemeinschaftlichen Arbeit für unser und unserer Brüder Wohlergehen und Glück
zugestimmt.
Auch wir Serben
wollen im Geiste des Sokols leben und arbeiten, denn wir wünschen die Müden und
Matten zu beleben, die Schwachen und Verkümmerten zu stärken, die Gefangenen
und Gefesselten zu befreien. Wir haben dies auch jetzt und in den früheren
Kriegen getan. Wir haben einen Teil unserer Brüder von dem Übermute des Feindes
im Süden befreit. Wir haben ihnen die Fesseln aufgerissen, sie der Qualen
entledigt und ihnen die Freiheit gegeben, damit sie in ihr das Glück, die
Gleichheit und Brüderschaft fühlen.«
Nach einigen
Worten der Lobpreisung dieser »edlen Arbeit«, welche »einen Teil der großen
Sokolidee verwirklichte«, fuhr Major Kovacevic fort:
»Aber, meine
Brüder und Schwestern, unser Feind im Norden ist gefährlicher und herzloser,
weil er kulturell und ökonomisch stärker ist.
Dieser Feind ist
in seinen Gelüsten unersättlich; er hält Millionen unserer Brüder in Sklaverei
und Ketten. Er nahm ihnen die Freiheit und das Recht und unterwarf sie alle
seinen Diensten. Die Brüder murren, rufen und bitten um je raschere Hilfe.
Wir dürfen sie
nicht auf Gnade und Ungnade diesem fürchterlichen und gefräßigen Feinde
überlassen. Wir müssen ihnen je eher zu Hilfe eilen, weil dies zu tun unsere
Pflicht ist. Könnten wir denn schließlich glücklich sein, wenn so viele Brüder
in Sklaverei leben, leiden und murren?
Brüder und
Schwestern!
Der Feind ist
gefährlich, lüstern und lästig. Seien wir immer auf der Hut!
Arbeiten wir mit
noch größerer Lust und Aufopferung. Seien wir genau in der heiligen
Sokolpflicht, treu und ausharrend.
Bereiten wir uns
zum Kampfe und für die gerechte Sokolidee vor.
Vereinigen und
gesellen wir uns zu unzählbaren Sokolschwärmen, und denken wir immer an jene
Wahrheit, welche die serbischen Sokolasen auf ihre Fahne geschrieben haben: Daß
nur ein gesundes, kräftiges, nationalbewußtes und gut organisiertes Volk
geeignet ist, sich zu verteidigen, zu kämpfen und zu siegen.«
An diese
Ansprache des Präsidenten schließt sich der Bericht des Verwaltungsausschusses
an. Nach einer Schilderung der Erfolge der letzten Kriege, welche den Verein
während zweier Jahre an einer Betätigung hinderten, heißt es dort: »Es kam der
Tag, an dem wir zu unserer Arbeit zurückkehren, weil unser Programm noch nicht
erfüllt, weil unsere Aufgabe noch nicht beendet ist. Noch ein großer Teil
unseres Volkes erduldet die Leiden des gekreuzigten Christus; wir haben noch
unsere Brüder jenseits der Drina zu besuchen; wir haben noch die Stadt
Sarajevo und das Vermächtnis des heiligen Sava6
aufzusuchen; wir haben das Heimatland des Marina Novak, des Deli Radivoj und
des alten Vujadin zu besichtigen; wir haben das Gebirge Romanija zu
überschreiten und zu sehen, warum sich Travnik in Nebel gehüllt hat, es muß
einmal jenes Lied aufhören: Aoj, Bosnien, Du Waisenkind vor Gott, hast du
nirgends Leute Deines Stammes . . .«
Nach einer
Besprechung diverser Unternehmungen des Vereines wird betont, daß der Verein zu
den »Brüdervereinen jenseits der Save und Drina« Beziehungen unterhielt und
speziell die Entsendung von Delegierten zu der in Sarajevo abgehaltenen
Jubelfeier der Prosjeta betont. Hierzu bemerkt der Bericht: »Durch Absendung
der Repräsentanten zu den Brüdern nach Bosnien beabsichtigte der Ausschuß,
denselben hiemit zu sagen: ,Wir haben Euer nicht vergessen, die Flügel des
Falken der Sumadija sind noch mächtig’.«
Nach eingehender
Schilderung eines Besuches der Agramer Studenten in Serbien7
und der Fahnenweihe des »Verbandes der nüchternen Jugend« schließt der
Verwaltungsbericht mit folgenden Sätzen:
»Diese
Erscheinungen - die Ankunft der Brüder Kroaten in der Sumadija und die
Zusammenkunft der ,nüchternen Jugend’ aus allen Gegenden des Serbentums - weiß
die Verwaltung richtig zu würdigen, und man wird nicht übertreiben, wenn man
sagt, daß diese Ereignisse den Anfang und Keim einer großen Tat bedeuten, die
sich in der nächsten Zukunft abspielen wird.
Sie sind der
Ausdruck eines großen, bisher noch stillen Erwachens des nationalen
Bewußtseins und der Stärke einer unterdrückten Nation, welcher man nicht
erlaubt, daß sie sich emporhebt und einigt. Noch eine Zeitlang, und dieser Keim
wird reifen, und wenn die Volksseele noch mehr aufwallt, wird es keine
Schranken geben, die sie nicht zerreißen kann, keine Hindernisse, die sie auf
ihrem Wege nicht wird niederreißen können. Die Arbeit an der Kräftigung dieser
Macht, die Mithilfe und Beschleunigung des Laufes dieser nationalen
Entwicklung, die Vorbereitung und die Unterstützung dieser Idee war der
Verwaltung stets das Ziel ihrer Handlungen.«
Der Bericht des
Kassiers führt vorerst alle jene an, die dem Verein ihre Unterstützung liehen.
Nebst einer Reihe von Mitgliedern des Kragujevacer Kreisausschusses werden
hiebei dankend erwähnt:
Der Kreisausschuß
der »Narodna odbrana« in Kragujevac, insbesondere dessen Rittersektion, die
dem Sokolvereine öfters mit reichlichen Unterstützungen zu Hilfe kam; der
Direktor des Gymnasiums in Kragujevac, der den Sokolen »ständig seine väterliche
Aufmerksamkeit zeigte«; der Divisionskommandant der Sumadija, der den Verein
reichlich unterstützte; der Präsident des Kreisgerichtes in Krugajevac, der
Kreisvorstand und der Gemeindevorstand in Krugajevac.
Nachdem der
Kassier der im Kriege gefallenen Vereinsmitglieder gedacht hat, schließt er
seinen Bericht mit folgenden Worten:
»Nach dem so
glänzenden Siege über einen Teil unseres Feindes hoffte die Vereinsleitung, daß
Ihr alle von nun ab noch mehr, fester und lieber Euch der Tätigkeit des Sokoltums
widmen werdet, damit Ihr in unserem Falkenhorst Falken erzieht, die im
gegebenen Zeitpunkte eines Tages in der Lage sein werden, hoch aufzufliegen und
auf ihren mächtigen Schwingen auch allen unseren noch nicht befreiten Brüdern
Brüderschaft, Liebe und Freiheit zu bringen.«
Der Jahresbericht
ist unterfertigt von dem Major M. J. Kovacevic als Präsis, dem
Gerichtssekretär D. V. Brzakovic als Sekretär und von 10 Vorstandsmitgliedern,
unter denen sich zwei Professoren (Emil Lukic und Milan Jankovic) sowie ein
weiterer Offizier (Infanteriemajor Michael Vasic) befinden.
Aus diesem
Jahresberichte und aus einer von dem Kragujevacer Sokolvereine dem »Srpski
Sokol« in Tuzla zur Ausfüllung zugesendeten, gleichfalls vom Major Kovacevic
und Gerichtssekretär Brzakovic gezeichneten Tabelle geht hervor, daß die
Sokolvereine in Serbien mit einzelnen derartigen Vereinen in der Monarchie in
einem bisher nicht bekannt gewesenen Verbande stehen.
Das serbische Amtsblatt im Dienste der »Narodna
odbrana«
Dem serbischen Amtsblatte »Srpski novine« vom 28. Juni
1914 (n. St.) lag als Beilage ein Aufruf der »Narodna odbrana« bei, der allen
Abonnenten des Blattes zugestellt wurde.
In diesem Aufrufe befinden sich die folgenden Stellen:
»Brüder und Schwestern! Nur ein Teil des Kossovo wurde
gerächt, nur ein Teil des St. Veittages (Vidovdan) gesühnt. Ebenso weit und
breit, wie die Gebiete sind, in denen unsere Volkssprache gehört wird -
die serbische, kroatische und slowenische - von Kikinda bis Monastir,
von Triest bis Carevo-Selo, ebenso weit und breit ist die Bedeutung des St.
Veittages und des Kossovo. So viel nationale Serben auf diesem Territorium
weinen, so viel Ketten unserer Brüder knirschen, so viel Arbeit ist noch zu
leisten, so viel haben wir noch zu opfern. Der St. Veittag konnte früher für
uns einen Tag der Trauer bedeuten, aber heute, wo wir schon tief in die neue
Geschichte des Volkes geschritten sind, wo hinter uns große und glorreiche
nationale Geschehnisse stehen und uns noch größere und glorreichere erwarten,
heute, wo wir in der Mitte des Schaffens des großen nationalen Staates stehen,
heute muß für uns der St. Veittag ein Tag großer Freude und Stolzes wegen des
Geschehenen sein, da es aus ihm entsprossen ist und noch mehr wegen dessen,
was kommen wird. Serben und Serbinnen! Millionen unserer Brüder, Slowenen,
Kroaten und Serben außerhalb unserer Grenzen schauen heute auf uns, die Kinder
des Königreiches, und ihre Brust wölbt die Freude und die Hoffnung, indem sie
unsere heutige majestätische Manifestation für die nationale Sache betrachten.
Dem Mutigen hilft Gott! Vorwärts alle! Es ruft nun derjenige Teil unserer
geheiligten Aufgabe, der noch unverwirklicht geblieben ist. Am St. Veittage 1914
in Belgrad.«
Zeugenaussage
des Trifko Krstanovic über die »Narodna odbrana«
Der Bäckergehilfe Trifko
Krstanovic in Zavidovici wurde von einer Gendarmeriepatrouille in der Nacht vom
6. zum 7. Juli 1914 verhaftet, weil durch eine kurz nach Verübung des
Attentates gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand von ihm gemachte Äußerung,
dieses Attentat sei zu erwarten gewesen, der Verdacht entstanden war, daß er
von dem Komplotte Kenntnis gehabt habe.
Er wurde deshalb dem Kreisgerichte in Sarajevo
eingeliefert. Bei der Abhörung des Verhafteten ergab sich, daß seine Äußerung
den gegen ihn rege gewordenen Verdacht nicht rechtfertigte, da sie, lediglich
auf seinen früheren Kenntnissen von der Tätigkeit der »Narodna odbrana«
beruhend, bloß der Ausdruck seiner Überzeugung gewesen war, daß bei der in
Serbien gegen die österreichisch-ungarische Monarchie und speziell gegen den
Herrn Erzherzog Franz Ferdinand entfalteten Agitation eine derartige Tat
erwartet werden mußte. Das gegen Krstanovic eingeleitete Verfahren wurde
deshalb mangels jeden Tatbestandes eingestellt und der Genannte mit Rücksicht
auf seine für die Untersuchung wichtigen Kenntnisse über die Tätigkeit der
,Narodna odbrana' als Zeuge einvernommen.
Ein die hier interessierenden
Umstände betreffender Auszug aus diesem am 19. Juli 1914 aufgenommenen
Zeugenprotokolle folgt hiemit:
»Im Herbste des Jahres 1908 überschritt
ich auf der Mokra Gora bei Visegrad die Grenze nach Serbien, um mir Beschäftigung
zu suchen. Zuerst kam ich nach Bajina Bašta im Bezirke Uzice, und da ich dort
keinerlei Beschäftigung fand, ging ich nach Belgrad, wo ich gerade zu der Zeit
der Verkündigung der Annexion Bosniens und der Herzegowina einlangte. Da ich
sah, daß wegen der Annexion in der Bevölkerung eine große Bewegung und
Erregung entstanden war und daß ich keinerlei Beschäftigung werde finden können,
ging ich in das k. u. k. Konsulat und ersuchte, mich nach Hause abzufertigen.
Dort sagte man mir, daß ich nachmittags kommen möge und daß man mich dann in
die Heimat abfertigen werde. Als ich jedoch aus dem Konsulate hinausging,
erwischte mich auf der Straße ein Gendarm und fragte mich, woher ich sei; in
der Meinung, ich sei ein Spion, führte er mich in eine Karaula. Hier verhörte
man mich, und als ich ihnen sagte, daß ich gerne nach Hause möchte, begann
mich ein Unteroffizier zu schmähen, wieso ich jetzt aus Serbien wolle, da sie
gerade jetzt mehr Leute brauchen, weil es zu einem Kriege mit Österreich kommen
könnte. Als ich ihm sagte, daß ich nichts zum Leben habe, antwortete er mir,
daß ich volle Versorgung finden werde, wenn ich mich in das Komitee
einschreibe. Ich war in jener Not damit einverstanden, und ein Gendarm führte
mich in das Gasthaus ,Zelenom Vijencu’ (,zum grünen Kranz’) und stellte
mich dort dem Voja Tankosic, dem Führer des Komitees und Kapitän im regulären
Heere, vor. Hier beim ,grünen Kranz’ wurde ich in Kost und Wohnung genommen,
und wie ich sah, waren hier auch andere vom Komitee wohnhaft. Voja Tankosic
sagte mir, daß es der Zweck des Komitees sei, sich zu unterrichten im
Bombenwerfen, in der Zerstörung von Brücken, Tunnels, Telegraphen und
Eisenbahnen, und zwar deshalb, weil es leicht zu einem Kriege zwischen Serbien
und Österreich kommen könnte. Hierauf führte mich ein Mann in ein ärarisches
kleineres Haus neben dem Finanzministerium, wo die Kanzleien des Komitees sich
befanden, und hier in der Kanzlei traf ich Milan Pribicevic, welcher mich in
das Komitee einschrieb. Bei dieser Einschreibung fragte mich Milan Pribicevic,
ob mir Voja Tankosic gesagt habe, welche Pflichten ich als Komitadschi habe;
worauf ich antwortete: »Ja«. Er sagte mir, daß die Eingeschriebenen tüchtig,
stark und opferwillig sein müßten. Damals waren wir etwa 70 eingeschrieben.
In Belgrad hatten wir nichts gemacht. Nach etwa 1½ Monaten teilte uns unser Führer
Tankosic mit, daß die Großmächte unser Komitee verboten haben und daß wir
uns aus Belgrad entfernen und irgendwo in einem verlorenen Orte verstecken müssen,
wohin Fremde nicht kommen. Auf diese Weise sandten sie uns in die Stadt Cuprija.
Hier übten uns ein die Offiziere Voja Tankosic, Dusan Putnik, Zivko Gvozdic
und Mitar Djinovic, der in die montenegrinische Bombenaffäre verwickelt war
und in Montenegro erschossen wurde. Es war uns verboten, mit den übrigen
Leuten zu verkehren, damit man nichts von unserem Zwecke erfahre und auch nichts
davon, wie viele wir wären. Wir übten uns in dem Werfen von Bomben, in dem
Errichten von Minen und in der Zerstörung von Telegraphen, Eisenbahnen,
Tunnels und Brücken. Alle 14 Tage kamen zu uns Milan Pribicevic, General Bozo
Jankovic, der Apotheker Skaric, der Abgeordnete Zivko Rafajlovic, ein
gewisser Glisic Milutin, Beamter im Finanzministerium, und diese sahen zu, wie
wir übten, und beglichen jedesmal für uns die Kosten der Verpflegung. Unsere
Lehrer sagten uns, daß wir Komitees, sobald der Krieg verkündigt sei,
vorausgehen werden, hinter uns die Freiwilligen und dann das reguläre Heer.
In Cuprija waren wir etwa 140 Mann. Wir bekamen außer Kost, Wohnung und
Kleidung je 65 Para täglich für Tabak. Die Schule dauerte beiläufig drei
Monate, d. h. bis März 1909. Dann sagten uns die Mitglieder des Ausschusses, daß
wir entlassen wären, daß jeder gehen könne, wohin er wolle, denn die Annexion
Bosniens und der Herzegowina sei von den Großmächten anerkannt und unser
Komitee habe keinen Zweck mehr.
Bei der Auflösung des Komitees
sagte mir General Bozo Jankovic, daß ich in den Dienst des Bozo Milanovic
in Sabac trete und 50 Dinar monatlich Lohn erhalte. Er sagte mir nicht, welcher
Dienst das sein werde. Ich nahm an, weil ich mich als Komitadschi gegenüber dem
General Jankovic zu folgen verpflichtet fühlte und auch da ich nichts zum
Leben hatte und mir ein Brot suchen mußte. So kam ich im März 1909 nach Sabac
und meldete mich bei Bozo Milanovic, Kaufmann in Sabac. General Jankovic
hatte mir gesagt, daß Bozo Milanovic der Vorstand der ,Narodna odbrana’
in Sabac sei und daß ich bei ihm in dieser »Narodna odbrana« dienen werde.
Als ich dem Bozo Milanovic das Schreiben des Generals gab und er es gelesen
hatte, sagte er mir, daß ich ihm treu dienen und seine Aufträge ausführen müsse.
Der hauptsächlichste Dienst werde für mich sein, Briefe auszutragen, wohin sie
eben lauten. Falls ich einen Brief nicht dorthin tragen werde, wohin er
gerichtet sei, und falls irgend jemand anderer zu diesem Briefe käme, so sei
das mit meinem Leben verbunden. Gleich nächsten Tages gab mir Bozo Milanovic
einen geschlossenen Brief, den ich zu Cedo Lukic, Finanzwachtmeister, in
Serbisch-Raca, tragen sollte. Am Wege nach Raca, im Orte Bogatic, stellte
mich der Bezirkskapetan, nahm mir den Brief ab, öffnete und las ihn. In dem
Brief stand, daß Lukic sofort drei Boote kaufen solle, damit sie fertig wären,
falls sie gebraucht würden. Dem Briefe waren 100 Dinar beigeschlossen. Bei
dieser Gelegenheit sagte mir der Kapetan, daß vom Ministerium der strenge
Auftrag gekommen sei, daß die Komatadschi auf eigene Faust nichts tun dürfen,
damit nicht eine internationale diplomatische Intervention provoziert werde. Ich
kehrte nach Sabac zurück und meldete dem Bozo Milanovic, was mir geschehen
war. Bozo Milanovic wendete sich an den Kreispräfekten, und dieser ordnete
an, daß mir der Revolver, den mir der Kapetan in Bogatic abgenommen hatte, zurückgestellt
werde. Auch ordnete er an, daß der Kapetan den Brief an Cedo Lukic, an
welchen er lautete, zu expedieren habe. Derartige Briefe habe ich vom März
1909 bis zum Oktober 1910 ausgetragen, und zwar habe ich während dieser Zeit
nach Serbisch-Raća 43 Briefe, nach Loznica 55 Briefe, nach Zvornik 5, nach
Ljubivija 2 Briefe getragen und nach Koviljaca weiß ich nicht wie viele. Ich
habe mir deswegen gemerkt, wie oft ich in jedem Orte war, weil diese Orte von Sabac
sehr weit entfernt sind. Die Briefe habe ich an die Leiter der Zollämter in den
betreffenden Orten getragen, und von diesen habe ich wieder Briefe als Antwort
erhalten und zu Bozo Milanovic getragen. Ich erinnere mich, daß ich auch
einige Male Briefe nach Sepacka Ada getragen habe. Mein Gehilfe im Austragen
von Briefen war ein gewisser Vaso Erić, gebürtig aus Srebrenica. Nach Belgrad
habe ich Briefe von Bozo Milanovic jede Woche getragen und an Milan Pribičevic
und Bozo Jankovic zugestellt. Von dem Inhalte dieser Briefe habe ich nichts
gewußt und hat mir auch niemand hierüber etwas gesagt. Soviel ich sehen
konnte, waren die Briefe, welche Bozo Milanovic absandte, nicht chiffriert,
während die Briefe, welche die Zollamtsleiter sendeten, mit besonderen Zeichen
geschrieben waren, was ich beobachtet habe, als sie Bozo Milanavic öffnete.
Einmal brachte ich dem Bozo Milanovic ein solches chiffriertes Schreiben, ich
glaube aus Zvornik, und dieser sendete mich mit dem Schreiben zu
Mika Atanasijevic, Professor in Sabac, damit er es dechiffriere. Dieser vollführte
das, wie er das gewöhnlich tat; aber vielleicht vergaß er den Brief zu schließen,
so daß ich ihn lesen konnte. In dem Briefe stand, daß von sicherer Seite
gemeldet werde, daß Geld mit dem Bildnisse des Thronfolgers zu prägen sei, und
daß dies ein Zeichen sei, daß Kaiser Franz Joseph abdizieren werde. Etwa nach
acht Monaten meiner Dienstleistung bei Bozo Milanovic gab mir Bozo seine
Visitkarte, auf welcher ein Totenkopf aufgezeichnet war, und auf der aufgeschrieben
stand, daß ich zum Vertrauten (povjerenik) der »Narodna odbrana« ernannt sei.
Bei dieser Gelegenheit sagte er mir, daß es sich um Spionage handle . . .
Von dem Offizier Dusan Opterkic, dem Mitgliede
der »Narodna odbrana«, erfuhr ich einmal, daß die »Narodna odbrana« in Bosnien und Herzegowina 23 Mitglieder habe. Sonst ist mir aber nicht
bekannt, ob und welche Organisation die »Narodna odbrana« in Bosnien hat.
Hin und wieder gab mir Milan Pribicevic einen Revolver
oder aber Geld zum Ankauf eines Revolvers, damit ich ihn den Finanzern an der
Grenze gebe, welche als Komitadschis dienten, da sie keinen Revolver hatten und
auch kein Geld, um sich einen solchen selbst zu kaufen. Wie mir scheint, gab
ihnen Milan Pribicevic diese zur Ehrung, weil sie eben Komitadschis waren.
Eine andere Beschäftigung mit Waffen hatte ich nicht.
Einmal bekam ich zur Zeit meiner Dienstleistung
von Bozo Milanovic den Auftrag, mit einem Manne zu einem Bauern in Lijesnica
an der Drina zu gehen, und dieser Bauer werde uns informieren und alles, was
notwendig wird, zeigen, damit wir zwei den Ljubo Stanaricic, serbischen
Reserveoffizier, der nach Bijeljina geflüchtet war, töten. Der Ausschuß der
»Narodna odbrana« hatte nämlich erfahren, daß Ljubo Stanaricic für den
serbischen Staat gefährlich sei und hatte beschlossen, daß er getötet werden
solle.
Von Bozo Milanovic erhielten ich und
jener Mann den Auftrag, an einem bestimmten Orte über die Drina zu gehen und
Ljubo Stanaricic, der gerade am Ufer der Drina auf der bosnischen Seite im
Bijeljiner Bezirke wohnhaft ist, zu töten. Ich und jener Mann waren in die
Drina gestiegen, aber weil das Wasser tief war und wir auch sahen, daß Ljubo
mit dem Gewehr auf der Schulter um sein Haus herumgehe, kehrten wir zum Hause
jenes Bauern zurück. Weil ich sah, daß wir ihn mit dem Messer nicht töten können,
sendete ich jenen Mann nach Sabac, damit er Božo Milanović melde, daß es nicht
möglich, den Stanarčić auf diese Weise, wie er wolle, nämlich mit dem
Messer, zu töten. Daraufhin erhielt ich von Bozo Milanovic den Auftrag, daß
wir ihn auf jeden Fall töten. Dann haben wir uns entschlossen, ihn mit dem
Gewehr zu erschießen. Dieser Mann, der mit mir war, hatte nach dem Auftrage des
Bozo auf Stanaricic zu schießen und ihn zu töten, und ich hatte zu
kontrollieren, ob dieser Auftrag ausgeführt werde. Inzwischen kam jedoch ein
berittener Gendarm und brachte vom Kreispräfekten in Sabac den
Auftrag, daß wir zurückkehren und von der ursprünglichen Absicht absehen
sollen. Und so kehrten wir nach Sabac zurück.
Im Oktober 1910 verlangte ich vom Bozo
Milanovic, daß er mir den Lohn erhöhe, und als er mir das nicht tun wollte,
bedankte ich mich für den Dienst. Aus Šabac ging ich nach Belgrad, wo ich mit
dem General Jankovic zusammentraf, der mich verhaften ließ, weil ich den
Gehorsam aufgesagt habe. Sie zogen mich durch verschiedene Gefängnisse, etwa
zwei Monate, und alles deswegen, weil ich ihnen den Gehorsam aufgesagt hatte und
sie sich fürchteten, daß ich ihre Geheimnisse verrate. Zum Schlusse
entschieden sich die Behörden, mich nach Bosnien zu expedieren. In Sabac sagte
mir ein Gefangener, daß es sich um mein Leben handelt. Die Gendarmen begleiteten
mich bis Zvornik, wo sie mich den bosnischen Gendarmen übergaben. So kam ich im
Dezember 1910 nach Bosnien.
Von irgend einer Schwarzen Hand weiß ich nichts
Bestimmtes, mit Ausnahme dessen, was ich von dieser in serbischen Zeitungen
gelesen habe. Heute erinnere ich mich nicht daran, was von dieser Schwarzen Hand
in Zeitungen geschrieben war. Ebenso weiß ich nichts von der Schwarzen Liste.
In Serbien herrschte nach der Annexion ein allgemeiner Unwille und Haß gegen
die Person des österreichischen Thronfolgers, denn er war allgemein als ein
Blutfeind der Serben angesehen.«
Im übrigen berief sich Krstanovic auf seine früheren
Angaben, von denen bloß die folgenden zur Ergänzung der vorstehenden Aussage
von Interesse sind.
Das Komitee, in das Krstanovic durch Milan Pribicevic
aufgenommen wurde, gelangte von der »Narodna odbrana« zur Aufstellung. In
der Schule in Cuprija befanden sich 20 bis 22 Angehörige aus der Monarchie.
Unter den Schülern war auch Milan Ciganovic.
In der Schule zu Cuprija
wurde gelehrt, daß die Komitees bereit sein müssen, auf Befehl der »Narodna
odbrana« nach Bosnien zu gehen und dort nach den von ihren Vorgesetzen
erhaltenen Aufträgen zu handeln.
Auszug aus den Akten des
Kreisgerichtes in Sarajevo iiber das
Strafverfahren gegen Jovo Jaglicic und Genossen wegen Verbrechens
der Ausspähung
Im Jahre 1913 wurde eine von Jovo Jaglicic und
mehreren Komplicen in Bosnien zugunsten Serbiens betriebene Ausspähungsaktion
aufgedeckt. Das hierauf in Sarajevo eingeleitete Strafverfahren lieferte unter
anderem auch folgendes, einen Einblick in die Methoden der großserbischen
Propaganda und speziell der »Narodna odbrana« bietendes Material.
Jovo Jaglicic gab an, daß er im Monate August oder September 1912 zum ersten Male dem gewesenen Viehrevisor
in Foca Petar Klaric, genannt Pešut, begegnete, welcher im Herbst 1912 nach
Montenegro geflüchtet und dann Komitadschi geworden war.
Bei der ersten Zusammenkunft
fragte Klaric den Jaglicic, ob er den Rade Milošević aus Kalinovik kenne,
und meinte auf die Antwort des letzteren, daß Milosevic im Spital schwer
krank liege: »Schade, wenn er stirbt, wir haben Merkwürdiges gesprochen, hat
er Dir nichts davon erwähnt?« Auf die verneinende Antwort erwiderte Klaric:
»Ich hätte Dir etwas Wichtiges mitzuteilen, wir sind Serben und müssen etwas
Wichtiges für Serbien tun, komme zu mir in meine Kanzlei.« Dort entspann sich
nun zwischen ihnen folgendes Gespräch:
»Jovan, ich will Dir etwas erzählen,
ich kenne Dich noch nicht, ob Du mich verraten wirst? Ich sage es Dir trotzdem,
und wenn Du das Herz hast, verrate mich!«
Auf die Frage des Jaglicic, um
was es sich denn handle, antwortete Klaric: »Bruder, in Serbien existiert
ein Verein ,Narodna odbrana’. In diesen Verein sollen viele Leute eintreten;
es sind auch schon viele in Bosnien und der Herzegowina sowie in der ganzen
Monarchie angeworben; es gibt Leute dabei von Intelligenz und Wohlhabende, das
sind große Köpfe, und wenn es die können, warum sollen es nicht auch wir tun,
damit wir auch etwas dazu beitragen.«
Auf die Frage, welche Ziele
dieser Verein verfolgt, antwortete Klaric:
»Der Verein verfolgt den Zweck:
zum Beispiel Du bist in Kalinovik, Du meldest mir, was es dort Neues gibt, wie
viel Militär, Kanonen, Munition, verschiedene Gewehre, wer kommt, wer geht u.
dgl. Wir haben eine geheime Schrift ,Chiffre’ und korrespondieren mit
derselben. Wenn du treu bist, erhältst Du sie auch.«
Jaglicic hatte Furcht, daß
Klaric ihn nur ausforsche, um ihn dann zu verraten und ersuchte ihn daher, er
solle ihm einige Namen von Mitgliedern nennen, worauf Klaric eine Zeitlang
nachdachte und dem Jaglicic dann einen Namen nannte, der diesem Vertrauen
einflößte.
Hierauf sagte ihm Klaric: »Soll
ich Dir den ,Chiffre’ geben?« Jaglicic war damit einverstanden. Klaric,
welcher den Chiffre auswendig kannte, schrieb ihn auf einen Zettel auf und übergab
ihn dem Jaglicic.
Bei einer anderen
Gelegenheit erzählte Klaric von seinem Aufenthalt in Banja-Koviljaca (bei Loznica),
wo er durch den serbischen Hauptmann Todorovic8
Unterricht im Bombenwerfen erhalten hat, und sagte auf die Frage des Beschuldigten, warum er
dies gelernt habe: »Wenn es zu etwas kommt, wie ich Dir bereits gesagt habe,
ist es notwendig, daß ich mit Bomben umzugehen verstehe, daß ich Dich einübe
und Du dann die anderen, damit Pulvermagazine und sonstige wichtige Objekte in
die Luft gesprengt werden, weil wir in diesem Falle Bomben aus Serbien erhalten
werden.«
Hierauf beschrieb Klaric das Aussehen
der Bomben und sagte, daß er bereits Leute angeworben habe, welche im Falle
eines Krieges die Telegraphen- und Telephondrähte durchschneiden werden.
Bei diesen Zusammenkünften erfuhr Jaglicic von
Klaric auch, daß es zu den Aufgaben der Mitglieder der »Narodna odbrana« gehört,
österreichisch-ungarische Soldaten zur Fahnenflucht zu verleiten,
Freiwillige (Komitadschis) anzuwerben, Banden zu organisieren, Objekte und
Depots zu sprengen usw. Auch teilte ihm Klaric mit, daß selbst die chiffrierte
Korrespondenz zwischen den serbischen und bosnischen Mitgliedern nicht der Post
anvertraut, sondern durch sichere Boten über die Grenze befördert wird.
Klaric hat dem Jaglicic weiters erzählt, daß
gelegentlich der Prosvjetafeier (im September 1912) mit der zu dieser
entsendeten Deputation aus Serbien auch ein serbischer Major in Sarajevo im
Hotel »Europe« gewohnt hat9,
welchem Klaric Mitglieder der »Narodna odbrana« zuführte, die dieser
beeidete.
Von einem Spion erfuhr
Jaglicic, daß Bomben nach Sarajevo kommen werden oder schon gekommen sind, daß
diese das Aussehen von Seifenstücken haben10,
und daß man auch diesem Spione 2 bis 3 Stücke senden, oder daß er sich solche
abholen werde.
Aus konfidentiellen Meldungen über die »Narodna odbrana«
Die Leitung der »Narodna odbrana« besteht aus Vertretern
aller Parteirichtungen, um auch die Fortschrittler und die Gegner der Verschwörer
zu gewinnen. Ihr eigentlicher Spiritus rector ist der jetzige Major Pribicevic.
Die Sekretärstelle ist immer mit einem beurlaubten Offizier besetzt.
Aufgabe der »Narodna odbrana« ist es, in den südslawischen
Teilen Österreich-Ungarns eine wirksame Propaganda in Militär- und Zivilkreisen
zu entwickeln, um so eine Revolution vorzubereiten, eventuelle Mobilisierungen
zu stören, Paniken und Revolten hervorzurufen usw.
Die Organisation besitzt in der
Monarchie mehrere Vertrauensmänner und Emissäre, die eine stille Propaganda
von Mann zu Mann betreiben. Einzelne haben spezielle Missionen, um bei wichtigen
Brücken, Knotenpunkten usw. einige Leute - womöglich Eisenbahnbeamte -
anzuwerben, welche die Aufgabe haben, im geeigneten Momente etwa erhaltene
Weisungen durchzuführen oder durchführen zu lassen.
Der Verkehr zwischen den
Mitgliedern der »Narodna odbrana« wird möglichst durch persönliche Fühlungnahme
bewerkstelligt.
Als Mitglieder werden
hauptsächlich junge Leute, Arbeiter, Eisenbahner geworben.
Auszug aus den Akten des bosnisch-herzegowinischen Kreisgerichtes
in Sarajevo
über die dort anhängige Untersuchung gegen Gavrilo
Princip und Genossen wegen
des am 28. Juni 1914 an Seiner k. u. k.
Hoheit dem Herrn Erzherzoge Franz
Ferdinand von Österreich-Este
und Ihrer Hoheit der Frau Herzogin Sophie von
Hohenberg verübten
Verbrechens des Meuchelmordes
1. D i e T a t u n d d i e T ä t e r s c h a f t
Gavrilo Princip, Nedeljko Cabrinovic,
Trifko Grabez, Vaso Cubrilovic und Cetres Popovic sind geständig, in
Gemeinschaft mit dem flüchtigen Mehemed Mehmedbasic ein Komplott zur Ermordung
des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand gebildet und mit Bomben, teilweise auch mit
Browningpistolen ausgerüstet, Höchstdemselben am 28. Juni 1914 auf seiner
Rundfahrt durch Sarajevo zwecks Verübung des geplanten Attentates aufgelauert
zu haben.
Nedeljko Cabrinovic ist geständig,
als erster unter den Verschwörern gegen den Wagen des Herrn Erzherzogs eine
Bombe geschleudert zu haben, die ihr Ziel verfehlte, und die beim Explodieren
lediglich Insassen des dem erzherzoglichen Automobil folgenden Wagens
verletzte.
Gavrilo Princip ist geständig,
aus seiner Browningpistole zwei Schüsse gegen das erzherzogliche Automobil
abgegeben zu haben, durch welche der Herr Erzherzog Franz Ferdinand und die Frau
Herzogin Sophie von Hohenberg tödlich verletzt wurden.
Beide Täter geben die
Mordabsicht bei Verübung der Tat zu.
Diese Geständnisse haben durch
die gepflogenen Erhebungen ihre volle Bestätigung gefunden und ist
festgestellt, daß weiland Herr Erzherzog Franz Ferdinand und weiland Frau
Herzogin Sophie von Hohenberg an den Folgen der von Gavrilo Princip auf sie
abgegebenen Revolverschüsse gestorben sind.
II. E n t s t e h u n g d e s K o m p l o t t s
Die Beschuldigten haben, im wesentlichen übereinstimmend,
vor dem Untersuchungsrichter nachstehende Angaben gemacht:
Im April 1914 faßte Princip während seines Aufenthaltes
in Belgrad, wo er in dortigen Kaffeehäusern mit vielen serbischen Studenten
verkehrte, den Plan zur Ausführung eines Attentates auf weiland Herrn Erzherzog
Franz Ferdinand. Diese Absicht hat er mit dem ihm bekannten, damals gleichfalls
in Belgrad anwesenden Cabrinovic besprochen, der sich damals schon mit dem
gleichen Gedanken trug, und der zur Teilnahme an dem Attentate sofort bereit
war. Über die Verübung eines Anschlages auf den Herrn Erzherzog wurde in dem
Kreise, in dem Princip und Cabririovic verkehrten, oft gesprochen, da der Herr
Erzherzog als gefährlicher Feind des serbischen Volkes galt.
Die zur Ausführung der Tat nötigen Bomben und Waffen
wollten sich Princip und Cabrinovic, da sie selbst die Mittel zu deren Ankauf
nicht besaßen, zuerst von dem serbischen Major Milan Pribicevic oder von der
»Narodna odbrana« beschaffen. Da aber Major Milan Pribicevic und das maßgebende
Mitglied des genannten Vereines, Zivojin Dacic, zu jener Zeit verreist waren,
beschlossen sie, zu trachten, die Waffen von dem ihnen bekannten ehemaligen
Komitadschi und derzeitigen Staatsbahnbeamten Milan Ciganovic zu erhalten.
Nun trat Princip durch Vermittlung eines intimen Bekannten
des Ciganovic mit diesem in Verbindung. Ciganovic suchte hierauf den Princip
auf, sprach mit ihm über das geplante Attentat, das er vollkommen billigte, und
erklärte zunächst, daß er es sich noch überlegen wolle, ob er die Waffen
hiezu beistellen solle. Auch Cabrinovic sprach mit Ciganovic, wegen der
Waffen.
Zu Österreichern zog Princip den gleichfalls in Belgrad anwesenden
Trifko Grabez ins Vertrauen, der sich nach seinem Geständnisse gleichfalls zur
Mitwirkung an dem Attentate bereit erklärte.
In der folgenden Zeit hatte Princip wiederholt Gespräche
mit Ciganovic über die Ausführung des Attentates.
Inzwischen hatte sich Ciganovic wegen des geplanten
Attentates auch mit dem ihm eng befreundeten serbischen Major Voja Tankosic ins
Einvernehmen gesetzt, der dann für diese Zwecke die Browningpistole zur Verfügung
stellte.
Grabez gesteht in Übereinstimmung mit den Angaben des
Princip und Cabrinovic zu, am 24. Mai in Begleitung des Ciganovic den Major
Tankosic über dessen Wunsch in seiner Wohnung besucht zu haben. Nach der
Vorstellung habe Tankosic dem Grabez gesagt: »Bist Du dieser, bis[t] Du
entschlossen?« worauf Grabez erwiderte: »Ich bin es.« Als Tankosic dann
fragte: »Versteht Ihr aus dem Revolver zu schießen?« und Grabez hierauf
verneinend antwortete, sagte Tankosic zu Ciganovic: »Ich werde Dir einen
Revolver geben, gehe und unterrichte sie im Schießen.«
Hierauf führte Ciganovic den Princip und den
Grabez zur Militärschießstätte in Topcider und erteilte ihnen in einem bei
der Schießstätte liegenden Walde Unterricht im Schießen mit Browningpistolen
auf Ziele. Hiebei erwies sich Prinzip [sic] als der bessere Schütze. Ciganovic hat
den Princip, Grabez und Cabrinovic auch mit dem Gebrauche der ihnen später
übergebenen Bomben vertraut gemacht.
Am 27. Mai 1914 übergab Ciganovic dem Princip,
Čabrinovic und Grabez nach deren übereinstimmenden Geständnissen 6 Bomben, 4
Browningrevolver und genügende Mengen Munition sowie eine Glastube mit
Zyankali, damit sie sich zwecks Wahrung des Geheimnisses nach verübter Tat
vergiften. Überdies gab ihnen Ciganovic Geld.
Schon zu Österreichern hatte Princip den Danilo Ilić von
seinem Attentatsplane unterrichtet. Bei der Rückkehr nach Sarajevo ersuchte
er nun diesen, einige weitere Personen zu werben, die sich an dem Attentate
beteiligen, damit es sicher gelinge. Hierauf hat Ilić nach seinem Geständnisse
den Vaso Cubrilovic, Cetres Povovic und Mehemed Mehmedbašić hiezu geworben.
III. H e r k u n f t d e r B o m b e n
Bei Verübung des Attentates war nur eine der
Bomben zur Verwendung gelangt. Die übrigen fünf Bomben wurden später von der
Polizei in Sarajevo zustande gebracht.
Diese Bomben sind nach dem Gutachten der
gerichtlichen Sachverständigen serbische Handgranaten, die fabriksmäßig
erzeugt wurden und für militärische Zwecke bestimmt waren. Sie sind identisch
mit den 21 Bomben, die im Jahre 1913 in der Save bei Brcka gefunden wurden und
die sich zum Teile noch in der Originalpackung befanden, aus der sich mit
Sicherheit ergab, daß sie aus dem serbischen Waffenlager in Kragujevac
stammten.
Damit ist festgestellt, daß auch die bei dem
Attentate gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand verwendeten Granaten aus den
Vorräten des Kragujevacer Armeedepots stammen.
Grabez nennt die ihm und seinen Komplizen übergebenen
Granaten ganz spontan »Kragujevacer Bomben«.
IV. T r a n s p o r t d e r d r e i A t t e n t ä t e r u n d d e r
W a f f e n v o n Se r b i e n n a c h B o s n i e n
Princip gibt hierüber folgendes an:
Ciganovic sagte dem Cabrinovic,
Grabez und Princip, sie sollten ihren Weg über Sabac und Loznica nach Tuzla
nehmen und sich dort an Misko Jovanovic wenden, der die Waffen übernehmen
werde. Zunächst sollten sie nach Sabac gehen und sich dort beim
Grenzhauptmanne Major Rade Popovic melden, für den er ihnen einen Zettel
mitgab, den Princip übernahm. Am 28. Mai verließen die drei Komplicen mit den
Waffen Belgrad. In Sabac übergab Princip den Zettel, den er von Ciganovic
erhalten hatte, dem Major Popovic, der hierauf alle drei auf das Kommando führte
und ihnen einen Passierschein ausstellte, in welchem bestätigt wurde, daß
einer von ihnen Finanzwachmann und die beiden anderen dessen Kameraden seien.
Der Passierschein enthielt auch den Namen dieses angeblichen Finanzwachmannes,
doch habe er den Namen vergessen. Gleichzeitig übergab ihnen Major Popovic ein
geschlossenes Schreiben für den Grenzhauptmann in Loznica, der Pravanovic,
Prdanovic oder Predojevic hieß.
Princip, Cabrinovic und Grabez übernachteten in
Sabac und reisten am nächsten Morgen mit der Bahn nach Loznica, und zwar auf
Grund des ihnen vom Major Popovic ausgefertigten Passierscheines mit halber
Fahrkarte. Mittags kamen sie in Loznica an und übergaben dem dortigen
Grenzhauptmanne den Brief des Majors Popovic, in dem es hieß: »Schau, daß Du
diese Leute empfängst und sie durchführst, wo Du weißt.« Der Grenzhauptmann
sagte, er werde seine Finanzwachleute von der Grenze rufen und die drei dem
sichersten Manne anvertrauen. Darauf telephonierte er und bestellte die drei
Komplicen für den nächsten Morgen, 7 Uhr, in seine Kanzlei.
Am anderen Morgen vereinbarten die drei Verschwörer,
daß Cabrinovic mit dem Passe des Grabez offen den Weg nach Zvornik nehme,
Princip und Grabez aber die Grenze heimlich überschreiten. Dieser Plan wurde
mit dem Grenzhauptmannne besprochen und hiebei beschlossen, daß ein
Finanzwachmann aus Ljesnica, namens Grbic, den Princip und Grabez in seine
Karaula mitnehmen und über die Grenze bringen solle. Cabrinovic ging dann zu
Fuß nach Banja Koviljaca in der Richtung gegen Zvornik. Princip und Grabez
fuhren mit dem Finanzwachmanne Grbic nach Ljesnica, wo sie die Bomben und den
Revolver in einem Hotelzimmer ablegten. Hiebei sah der Finanzwachmann Grbic
diese Objekte. Princip selbst bezeichnete diese Reise als mystisch.
Grabez sagte im wesentlichen konform mit Princip
aus und fügte ergänzend bei, Grbic habe gelacht, als er die Bomben und die.
Revolver sah, und lediglich gefragt, wohin in Bosnien sie mit diesen Bomben
gingen. Der Finanzwachmann habe sich jedenfalls gedacht, das Grabez und Princip
eine Mission hätten.
Grbic und ein zweiter
Finanzwachmann haben den Princip und Grabez auf einem Kahne zu einer Insel in
der Drina gebracht. Dort wies sie Grbic an, auf einen Bauer zu warten, der sie
abholen werde. Sie übernachteten auf der Insel in einem Bauernhäuschen,wohin
Grbic sie gewiesen hatte. Am nächsten Tage kam ein Bauer, der sie während der
Nacht zuerst durch einen Sumpf und dann über das Gebirge bis in die Nähe von Priboj brachte, wo er sie wieder
dem dortigen Lehrer Cubrilovic, der bereits auf sie gewartet zu haben schien,
zur Weiterbeförderung übergab.
Dieser brachte sie dann weiter nach Tuzla zu Misko
Jovanovic.
Cabrinovic sagte über die Vorgänge der Reise
bis zu dem Momente, in dem er sich von Princip und Grabez trennte, im wesentlichen
übereinstimmend mit diesen aus und fügte nur ergänzend bei, daß Major Popovic
ihnen erzählt habe, er sei erst am Tage vor ihrer Ankunft in Sabac aus Belgrad
gekommen.
In Loznica beschlossen Cabrinovic, Prinzip und
Grabez sich zu trennen, da es zu gefährlich wäre, wenn sie zu dritt gingen.
Der Grenzhauptmann in Loznica, dem sie hievon Mitteilung machten, lobte ihren
Plan und gab dem Cabrinovic einen Brief für den Lehrer M. Jaklojevic in
Mali-Zvornik mit. Cabrinovic übergab hierauf die von ihm getragenen Bomben,
Browning und Munition dem Princip und Grabez und ging in Begleitung eines ihm
beigegebenen Finanzwachmannes nach Mali-Zvornik.
Dort fand er den Lehrer Jaklojevic, dem er den
Brief des Grenzhauptmannes von Loznica übergab. Dieser avisierte hierauf den
serbischen Grenzposten. Als Cabrinovic später mit dem Lehrer zu diesem
Grenzposten kam, wartete dort bereits ein Mann auf sie, der sie mit einem Kahne
über die Drina nach Groß-Zvornik in Bosnien brachte.
Von dort begab sich dann Cabrinovic nach Tuzla zu
Misko Jovanovic.
Nachtrag
Knapp vor Abschluß dieses Memoires wird vom
Kreisgerichte in Sarajevo ein Zeugenprotokoll vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß
ein Angehöriger der Monarchie einige Tage vor dem 28. Juni d. J. dem k. u. k.
Konsulate in Belgrad die Meldung erstatten wollte, daß er vermute, es bestehe
der Plan, auf Erzherzog Franz Ferdinand während seiner Anwesenheit in Bosnien
ein Attentat zu verüben. Dieser Mann soll nun durch Belgrader Polizeiorgane,
die ihn unmittelbar vor dem Betreten des k. u. k. Konsulates aus nichtigen Gründen
verhafteten, an der Erstattung dieser Meldung verhindert worden sein. Aus den in
dem fraglichen Zeugenprotokolle enthaltenen Angaben würde folgen, daß die
betreffenden Polizeiorgane von dem geplanten Attentate Kenntnis gehabt und
diesen Mann nur verhaftet hätten, um ihn an der Erstattung der Anzeige zu
hindern.
Da diese Angaben noch nicht nachgeprüft sind, kann über deren
Stichhaltigkeit im gegenwärtigen Zeitpunkte noch kein Urteil abgegeben werden.
Mit Rücksicht auf die hierüber schwebenden Erhebungen entziehen sich die näheren
Details der Zeugenaussage derzeit einer genaueren Wiedergabe.
Die serbische Presse über das Attentat
a) Das
Belgrader Blatt »Balkan« schreibt am 29. Juni über die beiden Attentäter:
Nedeljko Cabrinovic, von Beruf
Typograph, war von anarchistischen Ideen erfüllt und als unruhiger Geist
bekannt. Er weilte bis vor 20 Tagen in Belgrad, wohin er nach dem Kriege kam und
in der Staatsdruckerei beschäftigt war. Vor seiner Abreise erklärte er, daß
er sich nach Triest begebe, wo er in einer neuen Druckerei Arbeit bekommen
werde. Gavrilo Princip weilte gleichfalls bis vor kurzem in Belgrad. Während
des Krieges hat er sich als Freiwilliger gemeldet, wurde jedoch nicht
angenommen, weshalb er Belgrad verließ. Er kehrte aber zu Weihnachten des
vorigen Jahres wieder nach Belgrad zurück, besuchte eine Zeitlang das Gymnasium
und verließ Belgrad fast zu gleicher Zeit wie Cabrinovic, jedoch auf einem
anderen Wege als dieser. Princip war schweigsam, nervös, lernte gut, verkehrte
mit einigen gleichfalls aus Bosnien und der Herzegowina stammenden Mittelschülern
und in der letzten Zeit auch mit Cabrinovic. Er neigte sozialistischen Ideen
zu, obwohl er ursprünglich der fortschrittlichen Jugend angehört hat. Princip
ist ebenso wie Cabrinovic in Sarajevo aufgewachsen; beide verband seit ihrer
Kindheit eine unzertrennliche Freundschaft.
b)
Der »Piemont« vom I. Juli verweist darauf, daß nach dem lauten Proteste des
Attentäters Zerajic der Protest Princips gefolgt sei. Das Werk des letzteren
finde gleichfalls seine Aufklärung im bosnischen Regierungssystem. Der Umstand,
daß Princip, den Racheakt am heiligen Nationaltag Vidovdan verübte, welcher für
die Vornahme der Manöver gewählt worden war, lasse die Verzweiflungstat des
jungen Märtyrers verständlicher und natürlicher erscheinen.
(Das Blatt
wurde wegen dieses Artikels von der Polizei konfisziert, die Konfiskation jedoch
tags darauf von der ersten Instanz des Belgrader Gerichtes annulliert.)
c)
Der jungradikale »Odjek« vom 3. Juli sagt: Man habe den Herrn Erzherzog
Franz Ferdinand am Tage des nationalen Enthusiasmus nach Sarajevo gesendet, um
eine brutale Manifestation der Gewalt und Unterwerfung zu feiern. Dieser brutale
Akt mußte brutale Gefühle des Widerstandes, des Hasses und der Rache
herausfordern.
d)
Das nationalistische Parteiorgan » Srpska Zastava« vom 3. Juli sagt in einem
Artikel, betitelt »Verdächtigungen und Drohungen«: »Das Attentat
stellt sich immer mehr als ein Erzeugnis der ungesunden Verhältnisse in der Monarchie dar.
Anderseits ruft die wilde Verfolgung des serbischen Volkes in Bosnien und der
Herzegowina den Abscheu der ganzen zivilisierten Welt hervor.«
e)
Das fortschrittliche Blatt »Pravda« vom 3. Juli schreibt:. »Die Wiener
Politik ist zynisch. Sie beutet den Tod des unglücklichen Paares für ihre
abscheulichen Ziele gegen das serbische Volk aus.«
f)
Die »Agence des Balkans« vom 3. Juli meldet: »Die in Bosnien und der
Herzegowina gegen die Serben verübten Verbrechen sind unter den Auspizien und
auf direkte Anstiftung der österreichisch-ungarischen Zivil- und Militärbehörden
begangen worden.«
g)
Die »Pravda« vom 4. Juli sagt: »Alle bisher in Österreich begangenen
Morde und Attentate haben stets eine und dieselbe Quelle gehabt. Die unterdrückten
Völker der Monarchie mußten zu dieser Art des Protestes greifen, weil ihnen
kein anderer Weg möglich war. In einem Chaos der Schreckensherrschaft ist es
natürlich und vollkommen begreiflich, daß sich die Ära der Attentate eingebürgert
hat.«
h)
Der »Balkan« vom 5. Juli bemerkt, daß Österreich-Ungarn »wegen
Verfolgung Unschuldiger unter internationale Kontrolle gestellt werden müßte«;
denn Österreich-Ungarn sei weniger konsolidiert als die Türkei.
i)
Das »Mali Journal« vom 7. Juli schreibt: »Ein Sprößling des
Mittelalters wurde dieser Tage in Sarajevo ermordet. Ermordet hat ihn ein Knabe,
der das Leid um sein geknechtetes engeres Vaterland bis zum Paroxismus fühlte,
das Leid, das ihm die Räuber der Länder seiner Väter angetan haben. Was hat
daraufhin das offizielle Österreich-Ungarn getan? Es hat mit allgemeinen
Massakrierungen, Plünderungen und Zerstörungen des serbischen Lebens und
Eigentums geantwortet. Durch solches Heldentum zeichnen sich nur die
Nichtsnutzigen aus. Die Feigen sind immer große Helden, wenn sie sicher sind,
daß ihnen nichts geschehen wird. Man vergleiche nur Princip und Cabrinovic
mit diesen Helden, und man wird gleich den großen Unterschied merken.
Zivilisation und Gerechtigkeit sind in Österreich-Ungarn eine große Lüge.«
j)
Die »Tribuna« vom 7. Juli sagt: »Wir sind der Ansicht, daß die
Mordtat von Sarajevo bestellt wurde, um die Ausrottung der Serben mit einem
Schlag durchzuführen.«
k)
Der »Piemont« vom 8. Juli meldet aus Bajina Baska, daß die österreichischen
Behörden in Bosnien ein Christenmassaker vorbereiten.
l)
Der »Balkan« vom 8. veröffentlicht einen Bericht aus Bosnien unter dem
Titel »Bartholomäusnacht in Sarajevo« und tritt für einen allgemeinen Boykott gegen alle in Serbien
lebenden Österreicher ein.
m) Das »Mali Journal« vom 8. fordert zum Boykott gegen die
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft auf.
n) Unter dem Titel »Nichts aus Österreich-Ungarn!« schreibt die »Tribuna«
vom 8., es sei am besten, aus Österreich-Ungarn nichts zu beziehen, auch die österreichischen
und ungarischen Bäder nicht zu besuchen und keine Ärzte aus Österreich-Ungarn
zu berufen. Die Privatinitiative könne in der angedeuteten Richtung viel
ausrichten. Der Staat und die Behörden haben sich darein nicht einzumischen. Es
sei genügend, an die Bürger zu appellieren.
o) Die »Stampa« vom 8. behauptet, daß die Sarajevoer Polizei die
verhafteten Attentäter der unmenschlichsten und schamlosesten Tortur aussetze,
um von ihnen unwahre Geständnisse zu erpressen, auf Grund welcher dann Anklagen
gegen das serbische Volk erhoben werden sollen.
p)
Die »Agence des Balkans« vom 9. meldet aus Belgrad: »Absolut sichere
Privatmeldungen kündigen an, daß in Bosnien und der Herzegowina ein
allgemeines Massaker der Serben unmittelbar bevorstehe.«
q) Anknüpfend an die Äußerung des Premierministers Asquith bei der
Mitteilung der Nachricht vom Tode des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand, daß er
für das Schicksal der Menschheit besorgt sei, veröffentlicht der »Balkan«
am 9. Juli einen historischen Überblick über die Ereignisse der letzten 40
Jahre, aus dem er ableitet, daß das serbische Volk in diesem Zeitraume den
furchtbaren Qualen der jesuitischen Politik Österreich-Ungarns ausgesetzt
war. Schließlich mußte Herr Erzherzog Franz Ferdinand, wie alle Söhne
Loyolas, welche nur im Blute der Menschen arbeiten und dem Prinzipe »der Zweck
heiligt die Mittel« huldigen, vom Schicksal ereilt und ein Opfer des
Jesuitismus werden, wie es auch das ganze Österreich-Ungarn werden wird. Durch
den Untergang Österreich-Ungarns aber soll der Menschheit Ruhe und Frieden
gegeben werden. Wenn man alle diese Wahrheiten resumiert, dann kommt man zum
Schlusse, daß Asquith ruhigen Gemüts die Todesnachricht hätte mit den Worten
begleiten können: »Ich bin für das Schicksal der Menschheit nicht mehr
besorgt!«
r)
Die »Politika« vom 9. Juli führt im Leitartikel unter der Überschrift
»Unverschämte Lügen« aus: »Die Art und Weise, wie die Untersuchung über
das Sarajevoer Attentat geführt wird, läßt offen erkennen, welche Ziele Österreich
dabei verfolgt. Da die Attentäter ungeachtet aller Torturen, denen sie
ausgesetzt sind, nicht das sagen wollen, was man von ihnen verlangt, wurden andere
Individuen ausfindig gemacht, die sich bereit erklärten, unter gewissen
Bedingungen eine gewisse Mitschuld an dem Attentate einzugestehen, zugleich aber
alle jene zu beschuldigen, die Österreich unangenehm sind. Diese Methode ist
vorläufig gelungen, denn die gedungenen Individuen erzählen alles, was man von
ihnen will, und die österreichische Polizei sorgt dafür, daß diese Lügen
sofort nach allen Windrichtungen verbreitet werden. Österreich hat ja kein
Schamgefühl, und es glaubt, daß sich jemand finden werde, der solchen Lügen
Glauben schenkt.«
s) Die »Štampa« vom 9. sagt, es sei noch nicht alles, was sich in Bosnien
und der Herzegowina ereignet hat, aufgedeckt und in die Öffentlichkeit
gedrungen! Das werde strengstens verheimlicht. Die Wahrheit werde aber dennoch
früher oder später an die Oberfläche kommen. Das blutdürstige Österreich
will sich eben an serbischem Blute satt trinken und tut es auch. Es verlautet,
daß es heute ungefähr 10 000 Verwundete und Tote in Bosnien gebe.
t)
Die »Politika« vom 10. Juli richtet maßlose Beleidigungen gegen
Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses.
u)
Das Handelsblatt »Trgovinski Glasnik« vom 10. Juli spricht von der
Verderbtheit und Skrupellosigkeit der österreichisch-ungarischen Politik, die
es jesuitisch, rücksichtslos und unehrenhaft nennt. Sie sei dem serbischen
Volke in Österreich-Ungarn eine Mahnung, daß es nicht in einem Kulturstaate
lebe, welcher Leben und Eigentum garantiere, sondern, daß es stets bereit und
bewaffnet sein müsse, sich vor der Räuberei der Behörden und der Regierung zu
verteidigen. Nach den letzten Ereignissen dürfe das serbische Volk nicht mehr
wie ein Lamm warten, welches jeden Tag abgeschlachtet werden könnte, sondern
wie ein Löwe, der bereit ist zur blutigen Abwehr.
v) In der »Stampa« vom 10. Juli heißt es: Nichts sei ewig und auch Österreich-Ungarn
werde nicht ewig in Bosnien und der Herzegowina bleiben. Die Zeit sei nicht
fern, wo die Serben, welche die Macht der Türken brachen und die Bulgaren
straften, um die Iwan Planina am Trebevic streifen werden.
w)
Die »Pravda« vom 10. Juli
fordert unter dem Titel »Boykott gegen die Nichtsnutzigen« zum Boykott der österreichischen
Firmen in Belgrad sowie der österreichischen Waren auf und sagt, es sei Pflicht der
»Narodna odbrana«, die strengste Durchführung des Boykotts zu überwachen.
x)
Der » Zvono« vom 16. Juli erklärt Princip als Sohn der Gräfin Lonyay,
dem die Aufgabe zu Teil wurde, den Tod des Kronprinzen Rudolf an dessen Mörder,
Herrn Erzherzog Franz Ferdinand, zu rächen.
y)
Das »Mali journal« vom 19. Juli veröffentlicht einen Bericht, worin es heißt:
Princip sei von einem österreichisch-ungarischen Agenten zum Attentat
angestiftet worden. In Wien sage man, der wahre Schuldige sei nur in der österreichisch-ungarischen
Gesandschaft in Belgrad zu finden.
z) Das führende
jungradikale Blatt »Odjek« vom 20. Juli schreibt: »Österreich-Ungarn gibt
durch hundert Beweise kund, daß es den Titel des kranken Mannes in Europa
erwerben will. Während in Serbien nicht ein einziger österreichischer Bürger
belästigt worden ist, wurden in Bosnien und der Herzegowina Dörfer und Städte
geplündert. Diese Tatsache ist ein neuer Beweis dafür, um wie viel Serbien
kulturell und moralisch höher steht als Österreich-Ungarn.«
Der Ortsausschuß der »Narodna odbrana« in Nisch über das Attentat
gegen den Herrn Erzherzog
Franz Ferdinand
Dem k. u. k. Ministerium des Äußern ist von einem verläßlichen
Konfidenten, dessen Name gegebenenfalls bekanntgegeben wird, eine vertrauliche
Mitteilung zugekommen, wonach der Ortsausschuß der »Narodna odbrana« in Nisch
kürzlich eine Sitzung abhielt, in welcher der Vorsitzende dieses Ausschusses,
der Direktor der Nischer Strafanstalt Jasa Nenadovic, auf das gegen den Herrn
Erzherzog Franz Ferdinand verübte Attentat zu sprechen kam und hiebei folgendes
ausführte:
Serbien mußte
sich diesmal unbedingt eines Mittels wie des Attentats gegen den Erzherzog Franz
Ferdinand bedienen, weil eben dieser wegen seines aggressiven und exentrischen [sic]
Charakters eine eminente und fatale Gefahr für Serbien und möglicherweise auch
für weitere slawische Kreise bedeutete. Er hätte, wäre er am Leben
geblieben, in Kürze Serbien zum Kriege herausgefordert oder es angegriffen,
in welchem Falle Serbien, das da jetzt materiell so geschwächt und mit seiner
Armeeorganisation noch nicht fertig ist, unbedingt
verloren gewesen wäre. Nun ist aber durch den Sarajevoer Mord Serbien gerettet und damit
einer jener aus dem Wege geräumt, die Serbien gefährlich sind. Serbien wird
jetzt einige Jahre lang Ruhe haben, da der neue Thronfolger es sich wohl überlegen
wird, in den Spuren seines Vorgängers zu wandeln.
Wenn er auch
wußte, so führte der Redner weiter aus, daß die Ermordung des Erzherzogs
Franz Ferdinand für Österreich-Ungarn ein schwerer Schlag und großer
Schmerz sein wird und daß darauf Torturen für unser dort lebendes Volk folgen
werden, so hätte er doch nicht gedacht, daß seine Voraussetzungen in solchem
Maße eintreffen, und daß die Kroaten sich derart benehmen werden. Hätten
ihm doch seine Freunde in Bosnien und der Herzegowina auch versichert, daß
die österreichisch-ungarischen Behörden feige sind und in ihrem Auftreten
nicht übertreiben dürfen; leider aber hätten sich diese Freunde und durch sie
auch wir getäuscht. Wenn es so weiter andauert, so müssen Revolver und Bomben
erst recht ihre wahre Rolle spielen. Was immer auch der serbische Gott gibt, auf
diese Art darf man es nicht weiter gehen lassen.
Die Ausführungen des Redners fanden bei seinen Zuhörern vollste Zustimmung.
Nachträge nach Schluß des Druckes
1. Z u B e i l a g e 8
Der Lehrer Cubrilovic,
welcher bei Priboj die Führung des Princip und Grabez übernahm, hat ein
volles Geständnis abgelegt, aus dem sich folgende wichtige Daten ergeben.
Im Jahr 1911
wurde Cubrilovic aus Anlaß eines Sokolausfluges nach Sabac durch Bozo Fovic,
einem Vorstandsmitgliede der »Narodna odbrana«, in die Ziele dieses Vereines
eingeweiht und dann zum Kommissär der »Narodna obrana« in Zvornik (Bosnien)
bestellt. Über seine Einladung wurde später Misko Jovanovic zum Kommissär
der Narodna odbrana« für Tuzla ernannt.
Als
Mittelsmann beim Verkehre mit der »Narodna odbrana« fungierte ein Bauer, eben
derselbe Bauer, der den Princip und Grabez mit der Mitteilung zu Cubrilovic
brachte, er führe zwei serbische Studenten mit Waffen zu ihm. Als er dies
erfuhr, habe er gewußt, daß dies eine »Botschaft« der »Narodna odbrana«
sei. Princip und Grabez haben ihm gesagt, daß sie Bomben und Revolver bei sich
haben, um ein Attentat gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand auszuführen.
2.
M o n a r c h i e f e i n d l i c h e B i l d e r i m B e l g r a d e r
K r i e g s m i n i s t e r i u m
In dem
Empfangssaale des königlich serbischen Kriegsministeriums befinden sich an
der Wand vier allegorische Bilder, von denen drei Darstellungen von serbischen
Kriegserfolgen erfolgen sind, während das vierte die Verwirklichung der
monarchiefeindlichen Tendenzen Serbiens versinnbildlicht.
Über einer
Landschaft, teils Gebirge (Bosnien), teils Ebene (Südungarn), geht die »zora«,
die Morgenröte der serbischen Hoffnungen auf. Im Vordergrunde steht eine
bewaffnete Frauengestalt, auf deren Schild die Namen aller »noch zu befreienden
Provinzen«: Bosnien, Herzegowina, Vojvodina, Syrmien, Dalmatien etc. stehen.
1 Vgl Österreichisch-ungarisches Rotbuch Nr. 19.
2Siehe I, Nr.30.
3Siehe I, Nr.31.
4Geburtstag Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät.
5Miloš Obilic (auch Kobilic) schlich sich —
nach der serbischen Tradition — nach der Schlacht auf dem Amselfeld in das
türkische Lager und ermordete dort Sultan Murat (von Kállay, »Geschichte der
Serben«, I. Band). Stephan Singjelic,
Knez von Resara, spielte während des serbischen Aufstandes (1807-1810) eine
Rolle. 1809 verteidigte Singjelic die Redoute von Tschagar gegen die Türken und
soll sich, da er der Übermacht nicht gewachsen war, mit einem Teile der Seinen
und mit zahlreichen Türken in die Luft gesprengt haben (von Kállay, »Die
Geschichte des serbischen Aufstandes«).
6Der heilige Sava ist Schutzpatron der
Serben (gestorben 1236). Ducatus sancti Savae heißt Herzegowina. Vermächtnis
des heiligen Sava ist also mit Herzegowina gleichbedeutend.
7Dieser Besuch der Agramer Studenten (April
1912) in Belgrad, Nis, Semendria usw. wurde in Serbien zu einer großen,
monarchiefeindlichen Demonstration benützt. Den Ausflüglern wurden
militärische Ehren erwiesen, es fanden in der Militärakademie und im
Offizierskasino Déjeuners und Bälle statt. In Nis wurde zu Ehren der Besucher
sogar eine militärische Parade abgehalten.
8Hauptmann Kosta Todorowic [sic] war damals tatsächlich Grenzkommissionär und
Leiter des serbischen Kundschaftsdienstes für die Grenzstrecke Raca-Ljubovija.
9Zu der Prosvjetafeier war der serbische Major Mika Jankovic als serbischer Delegierter erschienen.
10Die bei dem Sarajevoer Attentate gegen Erzherzog Franz Ferdinand verwendeten
und die im Jahre 1913 in der Save bei Brcka gefundenen, aus dem königlich
serbischen Arsenal in Kragujevac stammenden Bomben können tatsächlich
mit Seifenstücken verglichen werden.
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