den 31. Juli 1914
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter
in Berlin, London, Petersburg, Paris und Rom
Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter
in Berlin, London, Petersburg, Paris und RomTelegramm
W i e n , den 31. Juli 1914
Chiffr. 7 Uhr p. m.Adresse:
1. Graf S z ö g y é n y in Berlin, Nr. 305,
2. Graf M e n s d o r f f in London, Nr. 191,
3. Graf S z á p á r y in Petersburg, Nr. 205,
4. Graf S z é c s e n in Paris, Nr. 181,
5. Herr von M é r e y in Rom, Nr. 911.1—3 und 5
Graf Szécsen telegraphiert mir unterm 30. d. M.: »Serbien. Hatte heute lange Unterredung mit Herrn Viviani, der sich friedlich und versöhnlich äußerte, und meine eingehenden Ausführungen über Haltung Serbiens, die Ursachen, warum wir Antwort Herrn Pasic’ nicht akzeptieren konnten, sehr aufmerksam anhörte. Seine Hauptthese war, man wisse jetzt nicht, was wir wollen, und so sei jeder Vermittlung der Weg versperrt. Ich antwortete, wir hätten Serbien unsere Forderungen sehr deutlich mitgeteilt, nachdem sie nicht erfüllt wurden, sei aber der Kriegszustand eingetreten. Als persönliche Ansicht fügte ich bei, daß, wenn Serbien geneigt wäre, nachzugeben, es leicht Mittel finden könne, um in Wien anzufragen, welche Bedingungen wir jetzt stellen. Was geschieht aber mit Rußland? frug Ministerpräsident. Ich sagte, wir hätten von Rußland nichts verlangt und wünschten nur, daß es sich nicht einmische. Minister meinte, man müsse trachten, eine Lösung zu finden, die Rußland eine Demütigung erspare. Er kam auf englischen Vorschlag der Beratung der vier Botschafter zurück. Ich antwortete, derselbe sei bisher nicht sehr klar. Minister dementierte entschieden hiesige Zeitungsnachrichten über französische Mobilisierung. Ich wies auf diesbezügliches, von Rußland gegebenes Beispiel hin, dessen mögliche Folgen der Minister als sehr gefährlich bezeichnete. Ich sagte, es wäre sehr nützlich, wenn Rußland Mobilisierung nicht fortsetzen und diesbezüglich beruhigende Erklärungen abgeben würde. Minister meinte, Rußland müßte früher darüber beruhigt werden, daß wir Serbien nicht vernichten wollen.« »Es ist hier vielfach Ansicht verbreitet, daß wir Wiedereroberung Sandschaks anstreben. Dies würde, sagt man, für Rußland Krieg bedeuten. Ich werde von Regierungskreisen und anderen Politikern vielfach gedrängt, irgendwelche beruhigende Aufklärungen über unsere Absichten abzugeben, die den russischen Alarmnachrichten gegenüber verwertet werden könnten. Hauptbesorgnis hier: Sandschak, Annexion gewisser serbischer Distrikte, Antasten staatlicher Unabhängigkeit, Protektorat über Serbien. Viele Leute hier, auch in Regierungskreisen, wünschen Frieden und möchten Argumente haben, die sie russischen und hiesigen Hetzereien entgegenstellen können.« Ich antworte heute dem k. u. k. Botschafter in Paris wie folgt: 4
Erhalten Euer Exzellenz Telegramme Nr. 139 und 141 vom 30. 1. M.1 ad 1—5
Ich bin mit der Sprache, die Euer Exzellenz dem Herrn französischen Ministerpräsidenten gegenüber geführt haben, vollkommen einverstanden. Was die von Ihrem Mitredner erwähnte Befürchtung betrifft, wir wollten Serbien vernichten, so wollen Euer Exzellenz Herrn Viviani unverzüglich darauf aufmerksam machen, daß wir in Petersburg bereits offiziell mitgeteilt hätten, bei unserer Aktion gegen Serbien auf keinerlei territoriale Erwerbungen auszugehen und die staatliche Souveränität des Königreiches nicht antasten zu wollen. Ich ermächtige Euer Exzellenz gleichzeitig, der Ansicht mit Nachdruck entgegenzutreten, als ob wir eine Wiederbesetzung des Sandschaks beabsichtigten und sich in demselben Sinne auch den französischen Staatsmännern gegenüber offiziell zu äußern. Es ist natürlich, daß alle auf unser Desinteressement bezüglichen Erklärungen nur für den Fall gelten, daß der Krieg zwischen uns und Serbien lokalisiert bleibe. ad 1—3 und 5
Vorstehendes zu Euer Exzellenz Information ad 1
und zur Mitteilung an den Herrn Reichskanzler.
1Siehe III, Nr. 40 und 41. (Zurück)
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