den 21. Juli 1914
Herr von Mérey an Grafen Berchtold
Herr von Mérey an Grafen Berchtold
Telegramm Nr. 525
R o m , den 21. Juli 1914
C h i f f r e - G e h e i m
Mit Beziehung auf Euer Exzellenz Telegramm vom 20. l. M., Nr. 8431. Unterredung mit Marquis San Giuliano fand heute nachmittags statt. Der Minister zeigte sich sehr präokkupiert über unsere bevorstehende Demarche in Belgrad. Ich sprach mich in längeren Ausführungen im Sinne des ersten Teiles des obzitierten Telegrammes aus. Marquis di San Giuliano hörte aufmerksam zu und machte sich Notizen. Daran schloß sich eine ausführliche Diskussion, bei welcher ich auch Schlußalinea des obigen Telegrammes verwertete. Was die Klärung unseres Verhältnisses zu Serbien anlangt, setzte der Minister wieder landläufig auseinander, daß wir sie nicht mit Demütigung und Gewalt, sondern nur mit Konzilianz Sanierung herbeiführen könnten. Für national gemischten Staat, wie die Monarchie, sei dies einzige Politik, und bei Deutschen und Polen sei uns dies gelungen. Ich erklärte dieses schon oft zwischen uns erörterte Raisonnement als rein theoretisch und überdies falsch. Wirklichkeit sehe anders aus. Ich wies auf alles, was wir für Serbien seit dem Berliner Vertrage getan, auf unsere Konzilianz während des Balkankrieges und auf die immer violentere panserbische Offensive hin. Italien, fuhr der Minister fort, wünsche ein starkes Österreich-Ungarn, a b e r s o w i e e s s e i , ohne territoriale Vergrößerung. Jede solche - das müsse er mir mit aller Offenheit erklären - würde von Italien, welches eine Politik der Konzilianz und des Gleichgewichtes befolge, als seinen Interessen abträglich betrachtet werden. Meine Ausführungen, daß wir keine Gebietseinverleibung anstreben, nahm der Minister mit Befriedigung, jene hinsichtlich des Lowcen mit schlecht verhülltem Jubel auf. Die Frage, ob er dies in der Presse verwerten könne, verneinte ich und betonte sogar, daß es sich bei dieser vertraulichen Mitteilung um die ernste A b s i c h t des Ausschlusses jeder territorialen Erwerbung, aber nicht um ein Engagement handle. (Bei der Möglichkeit eines Krieges und der weiteren Eventualität, daß Montenegro doch vielleicht mit Serbien gemeinsame Sache macht, wäre mir eine weitgehendere Zusage als Äußerst gefährlich erschienen.) Marquis San Giuliano erklärte schließlich, es sei seine entschiedene Absicht, uns zu unterstützen, falls unser Begehren an Serbien ein solches sei, daß seine Erfüllung legitim erscheint. Gegenteiligenfalls hätte er die Stimmung seines ganzen Landes gegen sich, das nun einmal liberal, seines revolutionären Ursprunges eingedenk und für irredentistische Manifestationen, wo immer, Sympathie habe. Er betonte, seine Haltung würde erleichtert, wenn unsere Demarche in Belgrad sich - wenn nicht ausschließlich, so doch vorwiegend - a u f d i e K a t a s t r o p h e i n S a r a j e v o und weniger auf sonstige Agitationen stützen würde. Ich argumentierte gegen alle diese Einschränkungen, die ich theoretisch als verfehlt (weil Serbien auf das Niveau eines modernen Kulturstaates stellend), praktisch als ungenügende Freundschaft und Solidarität bezeichnete. Hinsichtlich der Presse sagte der Minister unter den vorstehenden Reserven seine Einflußnahme zu, meinte aber, dieselbe erst nach Kenntnisnahme des Inhalts unserer Demarche in Belgrad eintreten lassen zu können. Nach Montenegro versprach er, noch heute Instruktion in von uns gewünschtem Sinne abgehen zu lassen. Auch in Belgrad habe er bereits Ratschläge zur Konzilianz erteilt und, um deren Gewicht zu vermehren, . . . . . . 2 Gesandten zurückbeordert. Schließlich bemerkte der Minister, sein Vertrauen in unsere Mäßigung gegenüber Serbien gründe sich vor allem auf die Weisheit unseres Monarchen, was ich mit der Bemerkung quittierte, er könne in der Tat schon hieraus die Beruhigung schöpfen, daß unsere Schritte in Belgrad, was immer ihr Inhalt sei, sorgfältig erwogen und unbedingt notwendig sein werden. Im ganzen gab mir Unterredung Eindruck vieler freundlicher Phrasen, aber ebenso vieler mentaler Reservationen sowie daß der Minister offenbar vorläufig nicht an den Krieg, sondern an ein Einlenken Serbiens glaubt, wobei er vermutlich auf ein intensives Einwirken der Mächte in Wien und Belgrad rechnet.
2. Chiffre verstümmelt.
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Last Updated: January 2001.