World War I, Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter in Rom und Berlin

den 28. Juli 1914

Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter in Rom und Berlin


Graf Berchtold an die k. u. k. Botschafter in Rom und Berlin

W i e n ,  den 28. Juli 1914
Chiffr. 1 Uhr p. m.

    Adresse:
1. Herr von   M é r e y   in Rom, Nr. 892,
2. Graf   S z ö g y é n y   in Berlin, Nr. 280.

T e l e g r a m m   i n   Z i f f e r n   —   G e h e i m

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Im Nachhange zu Erlaß Nr.

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3567

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3568

ad 1-2

von gestern1.

ad 1

Der deutsche Botschafter hat gestern und heute dringende Demarchen bei mir im persönlichen Auftrage seiner Majestät Kaiser Wilhelms, des Reichskanzlers wie des Staatsministers gemacht, um mich angesichts der ernsten Lage und der drohenden Gefahren »um Himmelswillen« zu bitten, mich mit Italien über die Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages ins Reine zu setzen. Italienischerseits werde unser Vorgehen gegen Serbien als aggressiver Akt auch gegenüber Rußland angesehen und daher der Standpunkt vertreten, Italien könne sich bei dem defensiven Charakter des Dreibundvertrages nicht als verpflichtet ansehen, in einem eventuell daraus entstehenden Kampfe mit Rußland auf unsere Seite zu treten. Weiters sei erklärt worden, und zwar sowohl durch Bolatti in Berlin wie durch San Giuliano und Salandra in Rom, daß Italien nur dann eine freundschaftliche Haltung einnehmen könnte, wenn wir die italienische Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages akzeptieren würden.
Herr von Tschirschky, welcher beauftragt war, mir zu erklären, daß die deutsche Regierung den Artikel VII in der gleichen Weise interpretiere wie die italienische, richtete einen feierlichen und nachdrucksvollen Appell an mich, diese Situation tunlichst bald ins klare zu bringen, da die ganze militärische Aktion des deutschen Verbündeten aufs Spiel gesetzt würde, wenn Italien den casus foederis nicht anerkennen sollte.
Herzog Avarna, welcher gleichfalls heute bei mir vorsprach, hat mir im Auftrage seiner Regierung eine analoge Erklärung abgegeben, wie kürzlich — 25. d. M. — Baron Macchio gegenüber, dahingehend, daß man in Rom erwartet hätte, wir würden in einem Falle, wie der gegenwärtige (Demarche in Belgrad), welcher unter die Bestimmung des Artikels VII des Dreibundvertrages (»dans les Balcans«) falle, zuerst das Benehmen mit den beiden Verbündeten pflegen; daß ferner die königlich italienische Regierung für den Fall, als der drohende Konflikt eine kriegerische Wendung nehmen und zu einer wenn auch nur provisorischen Besetzung serbischen Territoriums führen sollte, sich vorbehalte, das ihr auf Grund des Artikels VII des Dreibundvertrages zustehende Kompensationsrecht in Anspruch zu nehmen, worüber vorhergehend ein Einvernehmen herzustellen wäre; schließlich, daß die königlich italienische Regierung in dem eventuellen Waffengange zwischen Österreich-Ungarn und Serbien eine freundschaftliche und den Bündnispflichten entsprechende Haltung einnehmen wolle.
Ich habe dem italienischen Botschafter erwidert, daß unser Streitfall mit Serbien nur uns und Serbien angehe, daß wir übrigens an keine territoriale Erwerbung dächten, eine Besetzung serbischen Gebietes daher nicht in Frage käme.
Auf die Bemerkung Avarnas, daß es den Mächten gegenüber von großem Vorteile wäre, wenn wir eine bindende Erklärung hierüber abgeben würden, entgegnete ich, daß dies aus dem Grunde nicht möglich sei, da man derzeit nicht voraussehen könne, ob wir nicht durch den Verlauf des Krieges in die Lage gebracht würden, gegen unseren Willen serbisches Territorium okkupiert zu halten. Bei normaler Abwicklung sei dies allerdings nicht zu erwarten, da wir absolut kein Interesse hätten, die Zahl unserer serbischen Untertanen noch zu vermehren.
Ich ersuche Euer Exzellenz, dem Marchese di San Giuliano von der hier abgegebenen Erklärung Herzog Avarnas und meiner darauf erteilten Antwort Mitteilung zu machen und hinsichtlich der aus dem Artikel VII des Dreibundvertrages abgeleiteten Kompensationsansprüche Nachstehendes zu bemerken:
Wie bereits hier dem italienischen Botschafter gegenüber erklärt, liegen territoriale Erwerbungen durchaus nicht in unseren Absichten. Sollten wir aber uns dennoch wider Erwarten gezwungen sehen, zu einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Okkupation serbischen Gebietes zu schreiten, so sind wir bereit, für diesen Fall mit Italien in einen Meinungsaustausch über eine Kompensation zu treten. Auf der anderen Seite erwarten wir von Italien, daß das Königreich den Verbündeten in den zur Erreichung seiner Ziele nötigen Aktionen nicht hindern, vielmehr uns gegenüber die in Aussicht gestellte bundesfreundliche Haltung unentwegt beibehalten werde.

G e h e i m

Ich habe mich zu diesem Entgegenkommen vis-à-vis dem italienischen Standpunkte entschlossen, weil es sich gegenwärtig um ein großes Spiel handelt, welches, an sich mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, ohne festes Zusammenhalten der Dreibundmächte gänzlich undurchführbar wäre.
Vorstehendes auch zur entsprechenden Verwertung gegenüber Ihrem Dreibundkollegen.

ad 2

Ich telegraphiere an Herrn von Mérey unter einem wie folgt:

(Folgt Text sub 1)

»Der deutsche Botschafter .....« bis » .....Ihrem Dreibundkollegen.«
Euer Exzellenz wollen sich in obenstehendem Sinne Herrn von Jagow gegenüber aussprechen und sich weiters dahin vernehmen lassen, wir hätten den Eindruck, daß an manchen Stellen in Italien an Kompensationen auf Kosten unserer Gebiete, speziell der mit italienischer Bevölkerung, etwa Trentino, gedacht werde. Demgegenüber wollen Hochdieselben auf das ausdrücklichste erklären, daß die Frage einer Loslösung irgend eines Teiles der Monarchie nicht einmal Gegenstand einer Erörterung bilden dürfe.

ad 1

Zu Euer Exzellenz rein persönlicher Kenntnisnahme füge ich bei, daß ich Grafen Szögyény beauftrage, er solle sich in obenstehendem Sinne Herrn von Jagow gegenüber aussprechen und sich weiters dahin vernehmen lassen, wir hätten den Eindruck, daß an manchen Stellen in Italien an Kompensationen auf Kosten unserer Gebiete, speziell der mit italienischer Bevölkerung, etwa Trentino, gedacht werde. Demgegenüber wolle er auf das nachdrücklichste erklären, daß die Frage einer Loslösung irgend eines Teiles der Monarchie nicht einmal Gegenstand einer Erörterung bilden dürfe.


1Siehe II, Nr. 52.   (Zurück)


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